Drachensturm
William kühl, » Don Francisco glaubt, dass die Macht der spanischen Waffen ausreichen wird, die Indios zu schlagen. Er spekuliert darauf, dass ihnen das eine Lehre sein wird und sie ihn auch dann fürchten, wenn keine Drachen in der Nähe sind. Ich nehme an, er will uns so schnell wie möglich wieder loswerden und will heute beweisen, dass er uns eigentlich gar nicht braucht. Wenn ich jedoch die Zahl der feindlichen Krieger sehe, halte ich es für gut möglich, dass es ihm heute gelingen wird, genau das Gegenteil unter Beweis zu stellen.«
» Sir William!«, mahnte der Hochmeister.
» Nur die Meinung eines Ritters, keine Kritik, Graf Maximilian«, erklärte der Engländer gelassen.
» Wenn er sich irrt, wird das viele seiner Männer das Leben kosten«, flüsterte Don Mancebo Mila leise zu.
» Wenn wir warten, bis er uns zu Hilfe ruft, kann es schon zu spät sein«, stimmte Waleran de Martel zu, der ihn dennoch gehört hatte. » Dann kämpfen sie da unten vielleicht schon Mann gegen Mann, und dann können wir mit Feuer nicht viel ausrichten. Dann müssen wir mit unseren Drachen selbst hinunter, mit Lanze und Armbrust in den Nahkampf gehen, und da kann es selbst für uns gefährlich werden.«
» Vor allem, wenn der Reiter nichts sieht, so wie Ihr, Comtesse«, erklärte Balian, und sie konnte hören, dass er es sehr genoss, auf Milas Schwäche anzuspielen.
» Noch ist es nicht so weit, Balian«, rief der Hochmeister. Mila erwartete eigentlich, dass er ihr nun verbieten würde, sich auf einen Nahkampf einzulassen, doch dieses Verbot unterblieb.
Kemaq schlich durch das Schilf den Frühlingsfluss hinunter, bis er den Mochico erreichte. Die anderen Späher waren längst verschwunden. Er reckte sich und sah die Mauern der Mondfestung in das Zwielicht des neuen Tages ragen. Kleine Punkte schienen sich darauf zu bewegen. Also wurde die Festung bewacht, und es war nicht damit zu rechnen, dass sie den Feind überraschen konnten. Ein fremdartiges Geräusch wehte zu ihm herüber. Es jagte ihm einen Schauer über den Rücken, denn er hatte es schon einmal gehört – es war eines jener Geräusche, das die vierbeinigen Tiere der Fremden machten, ein Schnauben, und es kam nicht aus der Stadt. Kemaq stellte sich auf die Zehenspitzen. Im Dämmerlicht lag der verfallene Tempel vor ihm, und in der Nähe blinkte etwas hell hinter den Schilfhalmen. Was mochte das bedeuten? Es half nichts, Kemaq musste näher heran.
Er schlich zum Fluss, dessen Wasser ihm hier bis zur Brust reichte, watete hinüber und kletterte vorsichtig wieder hinaus. Auf dieser Seite war der Schilfgürtel schmal und zum größten Teil verdorrten Feldern gewichen. Er schlich zum Rand des Schilfs, bog einige Halme zur Seite, und dann sah er sie: die Fremden! Sie standen dort in einer Reihe, mit ihren von Erz kalt blitzenden Rüstungen und Helmen, mit ihren überlangen Speeren und ihren Blitze schleudernden Rohren. Auch die seltsamen, schweren Gestelle, die sie mit so großer Mühe an Land gerollt hatten, waren dort aufgestellt. Ob auch sie Blitze schleudern konnten? Kemaq wusste es nicht. Er hielt Ausschau nach den vierbeinigen Wesen. Drei sah er. Sie trugen den Anführer der Männer und zwei andere Fremde und tänzelten hinter der doppelten Reihe der Feinde auf und ab. Ein gutes Stück entfernt war auch einer der fliegenden Götter zu sehen. Sein Reiter, leicht zu erkennen an der besonders prachtvollen Rüstung, sprach mit dem Anführer der Fremden, dann drehte er sich um und lief zu seinem Drachen. Er stieg auf, und der Gott schwang sich mit überraschender Anmut rasch in den Himmel und entfernte sich. Kemaq sah ihm nach. Er schien auf jenen einzelnen Berg nördlich der Stadt zuzuhalten.
Er spähte wieder hinüber zu der Reihe der Fremden. Ein schwarz und weiß gekleideter Mann ohne Rüstung trat nun vor, und plötzlich knieten die Männer alle nieder. Selbst die Anführer, die von den Wesen herabgestiegen waren, knieten, und der schwarzweiß Gekleidete sprach Worte, die Kemaq in ihrem salbungsvollen Tonfall an die Gebete der Inti-Priester erinnerten, dabei hielt er eine Fahne aus rotgelbem Tuch fest umklammert. Plötzlich stießen die Krieger alle gemeinsam so etwas wie einen feierlichen Jubelruf aus und erhoben sich wieder. Einer der Männer nahm die Fahne aus der Hand des Priesters, trug sie hinüber zum verfallenen Tempel und kletterte hinauf. Dann pflanzte er sie unter Beifallsrufen der anderen Männer dort oben auf. Sie bauschte sich rot und gelb in der
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