Drachensturm
in Ordnung? Hat Euch die Schlacht aufs Gemüt geschlagen?«
» Habt Ihr nicht gehört, dass mein Begleiter Felipe gefallen ist?«, fragte sie niedergeschlagen.
» Oh, wie entsetzlich!«, rief der Gelehrte. » Verzeiht, ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich keine Gelegenheit hatte, mich um Einzelheiten dieser Schlacht zu kümmern. Ich habe nur gehört, dass es lediglich einen Gefallenen und ein paar leicht Verwundete gegeben hat. Und dieser Gefallene war Euer Begleiter? Das tut mir aufrichtig leid.«
» Ich danke Euch, Meister Albrecht«, gab Mila zurück, und um das Thema zu wechseln, setzte sie hinzu: » Wie kommt Ihr mit Eurer Arbeit voran?«
» Erstaunlich gut, wirklich erstaunlich gut«, rief der Gelehrte. » Das Silber, es ist, wie ich dachte, es enthält ein zweites Element, das wir unter dem Namen Selen kennen. Es ist äußerst selten, und es bestätigt meine Vermutungen.«
» Die da wären?«, fragte Nabu und klang plötzlich sehr interessiert. Gleichzeitig entging Mila nicht, dass ein drohender Unterton in seiner Stimme lag.
» Veredelung, Meister Nabu. Entweder, diese Heiden kennen das Geheimnis des Selens, oder es kommt natürlich im Silbererz vor, das sie aus den Bergen holen. Es ist wirklich erstaunlich.«
» Und mit dem Azoth hat es nichts zu tun?«, fragte Nabu. Jetzt klang er ausgesprochen feindselig.
Der Gelehrte stockte. » Nun, wer kann das sagen, Meister Nabu? Ihr wisst vermutlich, dass manche meinen, dass Selen, das sich doch sonst nur in antikem Silber finden lässt, auf den Azoth zurückgeht, aber dies ist noch nicht bewiesen.«
» Was ist der Azoth?«, fragte Mila schnell. Sie war nicht nur neugierig, sie befürchtete auch, dass Nabu sich gleich auf den Gelehrten stürzen würde.
» Oh, der Azoth ist der edelste aller Steine, Comtesse. Die einen sagen – und auch mich könnte man zu jenen Männern zählen –, man könne die Panacea, die allheilende Medizin, aus ihm gewinnen. Andere glauben, er diene der Transmutation der Metalle.«
» Der was?«
» Er verwandle zum Beispiel Blei in Gold.«
» Blei zu Gold? Was für ein Ding soll das sein?«, fragte Mila verblüfft.
» Der Stein der Weisen, Comtesse. Vielleicht ist er Euch unter diesem Namen geläufiger.«
» Der Stein der …? Aber der ist doch ein Märchen!«, platzte Mila heraus.
» Nun, da er noch nie gefunden wurde, kann man es so betrachten, Comtesse«, erwiderte der Alchemist, aber er hörte sich nicht an, als würde er den Stein der Weisen für ein Märchen halten.
» Es wäre auch besser, nicht danach zu suchen, oder?«, fauchte Nabu.
» Vielleicht habt Ihr Recht, Meister Nabu, ist doch bekannt, dass der, der den Azoth sucht, oft etwas ganz anderes findet. Doch entschuldigt mich nun. Ich brenne darauf, mir die Räume dieses Tempels anzusehen, und habe doch nur wenig Zeit, viel zu wenig Zeit.« Und damit stürmte der Gelehrte davon.
» Willst du mir nicht endlich erzählen, was es mit dem Azoth auf sich hat, Nabu?«, fragte Mila. » Oder willst du mich weiter im Dunkeln lassen?«
Nabu brummte unzufrieden, dann sagte er: » Der Teufel möge diesen Alchemisten holen, bevor er ernsthaften Schaden anrichtet, ihn und seinesgleichen!« Er seufzte und fuhr nach einer Pause fort: » Ich habe dir doch vom schlafenden Feuer erzählt, Prinzessin, jenem Ort, dem wir Drachen entstammen.«
Mila nickte.
» Dieser Ort war unsere Heimat, schon immer und für immer, denn dort existiert keine Zeit. Doch dann wurden wir geweckt. Unser Schlaf endete, wir betraten die Welt – und wir können nicht zurück. Es geschah, weil die Alchemisten nach jenem unglückseligen Azoth gruben, in einem Bergwerk bei Konstantinopel, tief unter der Erde. Angeblich hielten sie ihn schon fast in den Händen, doch kurz vor ihrem Ziel wurden sie aufgehalten. Durch einen plötzlichen Vulkanausbruch, sagen manche, andere meinen jedoch, sie hätten die Mutter der Drachen, die den Azoth bewachte, geweckt, und die Mutter habe uns, ihre Söhne, gerufen.«
» Die Mutter der Drachen?«, fragte Mila tief beeindruckt.
» Du weißt, dass es keine weiblichen Drachen gibt, Prinzessin, oder?«
» Ja, das habe ich gehört, Nabu.«
» Kein Drache hat sie je gesehen, aber wir glauben fest, dass es sie gibt. Nun, die Alchemisten behaupten, wir seien erwacht, weil es uns von der Vorsehung so bestimmt gewesen sei. Doch warum sollten wir ihnen das glauben? Ausgerechnet ihnen, die sonst auf die Kirche und die Vorsehung nicht viel geben? Du weißt vielleicht, dass
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