Drachensturm
beeindruckend. Gerade einmal eine Woche hatte er seinen Männern gelassen, Chan Chan zu sichern, und die Priester hatten sich bitter beschwert, weil er ihnen keine Zeit zur Missionierung ließ. Sie hatten um Aufschub gebeten, um zunächst eine Kirche errichten zu können, aber Pizarro hatte sich nicht erweichen lassen. Zwei Priestern hatte er erlaubt, zurückzubleiben, der Rest sollte ihm folgen, hinauf in die Kordilleren, und das Holz, das eigentlich für den Bau der Kirchen bestimmt gewesen war, hatte er mitführen lassen, um Brücken zu bauen, falls es nötig sein sollte. Und demzufolge, was Ruiz sagte, würde es bald nötig werden. Nabu war der einzige Drache, der zwei Reiter tragen musste, der Orden hatte nämlich seine Waffenknechte zurückgelassen, um die Festung zu sichern. Zwei Drachen, Baal und Amun-Ra, waren mit ihren Rittern ebenfalls dort geblieben, fünf andere waren, wie von Pizarro verlangt, nach Norden gezogen, um Almagro und seine Männer zu unterstützen, die auf dem Landweg herabkamen. Schatzmeister Xavier de Paz hatte freundlich, aber bestimmt darauf bestanden, bis auf weiteres das Kommando in Chan Chan zu übernehmen. Auch Dietmar war zurückgeblieben, denn er war der Ansicht, für das » Herumklettern« in den Bergen sei er nun doch zu alt. Mila vermisste ihn. Er war wesentlich zuverlässiger als Ruiz.
» Zurück nach Chan Chan, Prinzessin?«, fragte Nabu. Dreimal hatte er schon versucht, die Bergkette zu überwinden, war aber ebenso gescheitert wie seine Brüder. Er klang ziemlich erschöpft.
» Ich möchte wissen, wie die Indios das schaffen«, sagte Mila.
» Was meinst du?«, fragte Nabu.
» Sie laufen doch diese Berge auf und ab und demzufolge, was Meister Albrecht mir erzählt hat, mit großer Ausdauer und Schnelligkeit.«
» Ich bin kein Indio, Prinzessin, und ich laufe nicht, sondern fliege, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.« Nabu glitt tiefer.
» Wenn es nicht anders geht, müssen wir eben ein Stück laufen, Nabu«, rief Mila gegen den Wind.
Nabu schnaubte. » So weit wird es nicht kommen, Prinzessin. Ich kann diese Berge überwinden, wenn ich einen guten Aufwind erwische. Aber dieser Wind kommt aus den Bergen und drückt uns eher nach unten, als uns zu tragen.«
Mila dachte nach, dann sagte sie: » Glaubst du, dass es am Abend besser wird?«
» Das ist gut möglich, Prinzessin, denn wenn die Sonne die Felsen erwärmt hat, kann die warme Luft uns helfen.«
» Dann versuchen wir es einfach später noch einmal. Ich hoffe, wir haben dann mehr Glück, denn ich wäre gerne vor Pizarro und seinen Männern dort oben, Nabu.«
Der Pfad nach Norden wand sich lang und schmal die Berge hinauf, die Tikalaq vom eigentlichen Hochland trennten, und Kemaq sah, dass die Spitze ihres Zuges den ersten Pass schon erreicht hatte, während das Ende sich noch weit, weit unter ihnen am Fuß des Berges befand. Kemaq stützte die alte Mocto, die immer dann, wenn sie Atem erübrigen konnte, auf den Vorsteher oder die Priester schimpfte. Es war ein klarer Tag, und in der dünnen Gebirgsluft trug ihre Stimme weit. Am Anfang war Pamac, der Vorsteher, noch zu ihnen gekommen und hatte die Alte gemahnt, leiser zu sein. Er hatte erst gedroht, dann gebeten, schließlich beinahe gebettelt, aber Mocto war das gleich: » Ich bin eine alte Frau, die alles verloren hat außer ihrem Leben, und auch das ist schon beinahe aufgezehrt. Mit was also willst du mir drohen, Pamac?«
Der Vorsteher gab schließlich auf. Kemaq rechnete eigentlich damit, dass irgendwann ein Priester kommen würde, um die Alte zur Ordnung zu rufen, aber das geschah nicht. Die Priester waren weit vorn im Zug, und sie marschierten im Schutz vieler Krieger. » Sie haben Angst, und ihr Vertrauen in Inti ist erschüttert«, sagte eine Stimme hinter Kemaq, als habe der Sprecher Kemaqs Gedanken erraten. Er wandte sich um. Es war Melap, der alte Chachapoya, den er im Tempel getroffen hatte.
» Melap, was machst du denn hier?«, entfuhr es Kemaq.
» Kennst du diesen Chachapoya?«, fragte die alte Mocto und beäugte den Mann mit spürbarem Missfallen.
» Ich kenne ihn, er hat mir geholfen.«
» Aber er kommt aus dem Tempel, und von dort kam in den letzten Tagen nicht viel Gutes.«
Kemaq fing ein paar finstere Blicke auf. » Er ist dort aber nur ein Diener, kein Priester, Mutter Mocto«, beeilte er sich zu versichern.
» Trotzdem«, gab sich die Alte stur.
» Geht es bald weiter da vorn?«, rief eine Stimme aus der Schlange. Der Weg
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