Drachensturm
war so schmal, dass es schwierig war, einander zu überholen, und da Kemaq Mocto stützte, blockierten sie den Pfad. Sie marschierten am Ende ihrer Gemeinschaft. Hinter ihnen folgten einige Yunga, die zwei Dutzend schwer beladene Lamas mitführten. Kemaqs Gemeinschaft besaß keine Lamas.
» Hetzt eine alte Frau nicht, die ihr Zuhause verlassen musste!«, schimpfte Mocto, setzte sich aber wieder in Bewegung.
» Werden dir die Schritte nicht leichter, Mütterchen, jetzt, da es in Richtung deiner wahren Heimat geht?«, fragte Melap.
» Was weißt du über meine Heimat, Wolkenmensch? Und nenn mich nicht Mütterchen, denn ich bin nicht viel älter als du!«
» Ich weiß, dass sie nicht in Tikalaq liegt, diese Heimat. Du gehörst zum Steinvolk und bist am Fuß ganz anderer Berge geboren.«
Mocto brummte missmutig, dann sagte sie: » Du hast Recht, Chachapoya, auch wenn ich es nicht gerne sage. Aber ich fürchte, die Priester werden uns nicht erlauben, nach Tanyamarka zu gehen.«
Tanyamarka – die Regenstadt! Kemaq spürte, dass die Nennung ihres Namens tief in ihm etwas berührte. Tanyamarka war die Heimat des Steinvolkes gewesen, bis die Inka sie erobert und den Stamm in alle Winde zerstreut hatten, so wie sie es stets taten. Er war niemals dort gewesen, war ja schon in Tikalaq geboren, aber dennoch zog der Klang des Namens ihn an.
» Vielleicht wirst du sie ja bald zu Gesicht bekommen, Chaski«, sagte der Chachapoya. Kemaq starrte ihn an, aber der Mann nickte ihm nur freundlich zu und forderte ihn mit einer Geste auf, weiterzugehen. Hatte er eben laut gedacht, oder konnte Melap seine Gedanken lesen?
Gegen Abend hatte die Sonne die Felsen gewärmt, und Nabu fand endlich die Aufwinde, die er am Morgen noch vergeblich gesucht hatte. Langsam, ganz langsam, schraubte er sich höher und höher in den Himmel. Er schlug kaum mit den Flügeln, aber dennoch stiegen sie. » Ich hoffe, du bist warm angezogen, Prinzessin«, sagte er irgendwann.
» Bin ich!«, behauptete Mila, aber sie spürte, wie ihr die kalte Luft unter die Rüstung kroch.
» Ich glaube, wenn ich jetzt hier herunterfalle, werde ich nie unten ankommen«, meinte Ruiz, und Mila spürte, wie krampfhaft er sich an das Geschirr klammerte.
» Da würde ich mir keine Gedanken machen, mein Freund«, knurrte Nabu.
» Ich will mir auch keine Gedanken machen, Meister Nabu, denn das Denken tut mir heute weh«, antwortete der Waffenknecht.
» Hast du auch Kopfschmerzen, Prinzessin?«, fragte Nabu.
» Ja, ein wenig«, gab Mila zu.
» Das ist die Höhe«, meinte Nabu und schüttelte den großen Kopf.
» Spürst du es etwa auch?«, fragte Mila.
» Keine Schmerzen, nein, aber es fällt mir etwas schwer, das Gleichgewicht zu halten«, keuchte der Drache.
» Wie schlimm ist es?«, fragte Mila besorgt.
» Nicht so schlimm, lästig trifft es eher«, behauptete Nabu.
Sie stiegen weiter auf, und Nabu versuchte weiterhin, sich nicht anmerken zu lassen, welche Schwierigkeiten es ihm bereitete.
» Wo sind die Spanier?«, fragte Mila.
» Man kann sie kaum sehen, Condesa«, rief Ruiz. » Klein wie Ameisen kriechen sie den Berg hinauf. Ich glaube, sie müssen den Weg, dem sie folgen wollen, erst noch bauen, oder zumindest so ausbauen, dass ihre Kanonen hinaufkönnen, und ich bedaure die armen Männer, die diese schweren Geschütze dort hinaufbringen müssen.«
» Ich sehe etwas, Prinzessin«, rief Nabu, » eine Stadt.«
» Ich sehe sie auch, Condesa. Es ist, wie Meister Nabu sagt, eine Stadt, versteckt zwischen den Bergen. Sie liegt sogar ein bisschen unter unserer jetzigen Höhe. Erstaunlich, dass diese halbnackten Wilden …«
» Es ist gut, Ruiz, schone deinen Atem«, unterbrach ihn Mila. Der junge Waffenknecht war vielleicht faul, aber er wurde von Tag zu Tag redseliger.
» Wenn du erlaubst, will ich mir das aus der Nähe ansehen, Prinzessin.«
» Natürlich, Nabu.«
Der Drache brüllte, aber es klang ungewohnt dünn. Von weiter unten antworteten zwei andere Drachen.
» Ianus und Schamasch. Sie werden uns folgen – wenn sie es denn vermögen«, sagte Nabu und versuchte gar nicht erst, seinen Stolz zu verbergen.
Mila strich ihm mit der Hand sanft über den Hals. » Sei aber vorsichtig, wir wissen nicht, was uns dort erwartet.«
» Wir werden sehen«, brummte der Drache und ging in einen langsamen Gleitflug über.
Die Kopfschmerzen ließen nach, und Mila versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was Nabu ihr Inneres Auge nannte. Sie wartete, aber Nabu
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