Drachensturm
froh, dass diese Unterhaltung beendet war. Meister Albrecht war ihr schon immer etwas rätselhaft erschienen, jetzt war er ihr sogar ein wenig unheimlich geworden. Wie leicht er über den Tod der drei Indio-Frauen hinweggegangen war! Sie schüttelte den Kopf. Es gab da noch etwas, das sie nicht verstand: Behemoth hatte ihn getragen. Nach allem, was sie über Drachen und Alchemisten wusste, musste das Balian einiges an Überredungskunst gekostet haben. Warum legte sich der Graf so für den Gelehrten ins Zeug? Er hatte doch noch nie besonderes Interesse an der Alchemie gezeigt. Sie hatte das Gefühl, dass sich da etwas zusammenzufügen begann, ein Bild, das sogar eine Blinde sehen sollte, aber noch wusste sie nicht, was es ihr zeigen wollte.
Die Straße war breit und gut gepflastert, ganz anders als die Pfade, auf denen Kemaq als Läufer gedient hatte, und ganz anders als der Pass, den sie hinter sich gelassen hatten, und sie war voller Menschen. Die Bauern von Tikalaq hatten auf Geheiß ihrer Priester auf einer Wiese am Straßenrand gelagert und beobachteten die Vorüberziehenden.
» Wo kommt ihr her?«, wollte Kemaq von einem Hirten wissen, der einige Alpakas vor sich hertrieb.
» Aus Caxamalca«, antwortete der, » der Inka hat die Stadt räumen lassen.«
» Aber wozu?«, fragte Kemaq.
» Das geht dich nichts an«, herrschte ihn ein Krieger an, der den Zug begleitete, » und es wäre besser, du würdest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
Gerade in diesem Augenblick rief Huaxamac, der Hohepriester von Tikalaq, die Vorsteher der Gemeinschaften zu einer Beratung zusammen. Kemaq sah hinüber und fand, dass es nicht wie eine Beratung aussah, nein, nur der Hohepriester sprach, und die Vorsteher hörten zu. Dann kehrten sie mit betretenen Mienen zurück. Pamac unterrichtete sie: » Huaxamac hat uns unseren weiteren Weg verkündet. Wir haben es nicht mehr weit, denn wir werden nach Huamachuco gehen und dort warten, bis die Fremden besiegt sind und wir wieder in die Heimat zurückkehren können.«
» Heimat …«, brummte Mocto vielsagend.
» Verzeih, Pamac«, rief Kemaq, » aber als Läufer weiß ich, wie lange eine Nachricht von Tikalaq nach Huamachuco braucht, und daher weiß ich, dass diese Stadt wirklich nicht mehr weit sein kann. Wird der Feind, wenn er uns folgt, nicht auch dorthin kommen?«
» Das wird er nicht«, rief eine Stimme, die Kemaq wohlbekannt war. Er drehte sich um. Es war sein Bruder Qupay.
» Woher willst du denn wissen, wohin der Feind geht und wohin nicht, mein Junge?«, fragte Mocto in ziemlich unfreundlichem Ton.
» Ich weiß es, weil der Sapay Inka die Fremden eingeladen hat. Er will sie treffen und mit ihnen sprechen – ergründen, was sie wollen und wann sie wieder gehen.«
» Wenn sie je wieder gehen«, warf Mocto ein.
» Sie werden gehen. Wenn sie nicht wollen, wird der Sapay Inka sie zwingen.«
Kemaq hatte Zweifel, dass diese Fremden mit ihren fliegenden Göttern sich so einfach zwingen ließen. » Und wo und wann will der Sapay Inka diese Menschen treffen?«, fragte er.
Qupay warf ihm einen kühlen Blick zu und antwortete: » Er hat bereits Boten ausgesandt und die Fremden aufgefordert, ihn in Caxamalca zu besuchen.«
» Macht euch bereit«, rief Pamac, » denn wir werden uns den Leuten aus Caxamalca anschließen.«
Kemaq half Mocto auf die Beine und schulterte ihr Bündel zu seinem eigenen.
» Du nicht, Kemaq«, sagte Qupay, und als sein Bruder ihn verständnislos ansah, fuhr er fort: » Huaxamac hat nicht vergessen, dass der Segen Intis auf dir ruht, kleiner Bruder. Du wirst uns Priester mit den Kriegern nach Caxamalca begleiten.«
Die Vorhut der Konquistadoren erreichte die Stadt am späten Nachmittag. Es waren zehn Reiter, und Mila hörte, dass Hernando Pizarro sie kommandierte. Laut schallte der Hufschlag ihrer Pferde von den leeren Häusern und den Berghängen wider. Mila erwartete sie mit dem Hochmeister und Don Mancebo vor dem Tempel. Am Rande des Platzes wurden die Pferde unruhig, vermutlich, weil sie die Drachen witterten. Mila hörte die Spanier fluchen, und Don Hernando rief quer über den Platz, die Ritter sollten gefälligst ihre Drachen fortschaffen, eine Aufforderung, die so unhöflich war, dass weder Ritter noch Drachen darauf reagierten. Schließlich stiegen die Reiter ab und zogen ihre Tiere hinter sich her.
» Ich freue mich, Euch zu sehen«, begrüßte der Hochmeister die Neuankömmlinge betont freundlich.
» Ich wollte, ich könnte
Weitere Kostenlose Bücher