Drachensturm
dürfen.
Mila bot – ohne erst nachzufragen – dem Mann ein Quartier für die Nacht an, doch das lehnte der Bote ab. » Meine Nachricht wird dringend erwartet, und ich muss eilen.«
Kaum war der Indio außer Hörweite, als Pizarro sofort lospolterte und den Hochmeister beschuldigte, ihm in den Rücken gefallen zu sein.
» Ich hielt es einfach für klüger, die Antwort gut zu überdenken, denn es bestand kein Grund zur Eile, Don Hernando. So aber habt Ihr geantwortet, und die Heiligen mögen wissen, was daraus erwachsen wird. Eines solltet Ihr jedoch nicht vergessen, Ihr habt nur für Euch und vielleicht sogar für Euren Bruder Francisco gesprochen, nicht jedoch für unseren Orden.«
Es wurde Abend, aber es sah nicht so aus, als würde Huaxamac bald lagern lassen. An der Wegkreuzung war der Zug aufgeteilt worden: Die meisten Menschen der Stadt, unter ihnen die alte Mocto, waren nach Huamachuco weitergezogen, während eine ausgewählte Schar von Kriegern und Priestern nun auf dem Weg nach Caxamalca war. Kemaq trottete am Ende dieser Schar. Er fragte sich, was sich der Hohepriester davon versprach, ihn mitzunehmen. Intis Segen? Wenn der wirklich auf ihm lag, hatte er bisher jedenfalls nicht auf die Krieger von Tikalaq und ihre Anführer abgefärbt.
Sie kamen gut voran. Die Straße war breit, gepflastert und wand sich über sanftere Anhöhen einen Wasserlauf entlang. Leichter Nebel stieg von diesem Gewässer auf. Wäre die Luft nicht so dünn und kühl gewesen, hätte man annehmen können, dass man sich irgendwo am Fuß der Berge befand.
» Ich hoffe, du bildest dir nicht zu viel ein«, sagte Qupay, der bisher dicht hinter Huaxamac an der Spitze des Zuges gelaufen war, aber nun offenbar auf Kemaq gewartet hatte.
» Was sollte ich mir einbilden?«, fragte Kemaq unwirsch.
» Ist dir nicht klar, was für eine Auszeichnung dir zuteilwird?«, fragte sein Bruder und schien sich wirklich darüber zu wundern.
» Ich sehe nur, dass ich dorthin gehen muss, wohin mich die Priester befehlen. Und ich habe gelernt, dass das für mich sehr gefährlich werden kann, für mich – und für andere!«
Qupay antwortete nicht gleich, aber nachdem sie eine Zeitlang nebeneinander hergelaufen waren, sagte er: » Glaubst du, dass Jatunaq noch lebt?«
» Woher sollte ich das wissen, Qupay? Ich weiß nur, dass er den Fremden in die Hände gefallen ist, ob tot oder lebendig, kann ich nicht sagen.«
» Ich glaube, er lebt noch«, meinte Qupay. Und als Kemaq darauf nichts sagte, fuhr er fort: » Ich kann es dir nicht erklären, aber ich glaube, ich würde es spüren, wenn er tot wäre.«
Kemaq warf seinem älteren Bruder überrascht einen Seitenblick zu. » Du hast Recht«, sagte er schließlich, » auch ich habe das Gefühl, dass er lebt, und ich bete zu den Göttern, dass mein Gefühl mich nicht täuscht.«
Danach wusste offenbar keiner von ihnen so recht, was noch zu sagen gewesen wäre, und Qupay verschwand wieder an die Spitze des Zuges.
Don Francisco Pizarro und seine Männer trafen erst gegen Mitternacht in der Stadt ein. Die Drachen hatten den Platz geräumt und sich auf den Tempel und andere große Gebäude zurückgezogen. Mila hörte schon von weitem das Rumpeln der Kanonenräder auf dem Pflaster und das Stöhnen der Männer, die sie ziehen mussten. Es waren Indios, keine Spanier, die den schwersten Teil der Arbeit verrichteten.
» Die meisten von denen sind Yunga aus den Dörfern rund um Chan Chan, Condesa«, erklärte ihr Don Mancebo, » und wenn ich sie so sehe, dann muss ich sagen, dass sie mit der dünnen Luft hier oben weit besser zurechtzukommen scheinen als unsere spanischen Waffenbrüder.«
» Ich wundere mich immer noch, dass die Pizarros sie überreden konnten, uns zu helfen«, erwiderte Mila. Sie standen vor ihrem Quartier, und der Maure beschrieb ihr den Einmarsch der Spanier.
» Ich nehme an, das haben wir dem Bürgerkrieg zu verdanken, Condesa. Ihr wisst sicher, dass zwei Söhne des alten Inka drei Jahre lang um dieses Reich gekämpft haben. Diese Indios scheinen auf der Seite Huáscars gestanden zu haben, auch wenn sie gezwungen wurden, für Atahualpa zu kämpfen. Ich glaube, sie sind wirklich dankbar, dass wir sie vom Joch Atahualpas befreien, und sie sind bereit, mit uns zu kämpfen.«
» Mir ist aber, als würde ich auch Ketten hören, Bruder Mancebo.«
» Da habt Ihr Recht. Einige der Männer sind gefangene Krieger, die in der Schlacht gegen uns gekämpft haben. Pizarro hat sie an die Kanonen
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