Drachensturm
Sapay Inka hat so entschieden. Und er ist der Sohn der Sonne«, widersprach der Kahlköpfige.
» Einer Sonne, die heute nur sehr schwach ist. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, einfach auf die Fremden zu warten«, meinte Mocto mürrisch.
Der Chimú sah sie entsetzt an. » Was redest du da? Weißt du nicht, dass sie viele von uns getötet haben?«
» Ich weiß nur, dass die Priester den Angriff befohlen haben, obwohl sie, wie ich hörte, davor gewarnt worden waren.«
Kemaq warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. Woher wusste sie von der Warnung, die die Tempeldienerin des Mondgottes ihm mitgegeben hatte?
» Gewarnt, von wem?«, fragte der Kahlköpfige.
» Von Tamachoc selbst, hörte ich«, erwiderte Mocto mit geheimnisvoller Miene.
» Du redest Unsinn, Weib«, meinte der Chimú unwillig.
» Es heißt, er sei erwacht und werde bald über die Berge kommen, um den Sapay Inka an seine Macht zu erinnern.«
Der Chimú warf ihr noch einen zweifelnden Blick zu, dann wandte er sich kopfschüttelnd ab.
» Wo hast du das her, Mocto?«, fragte Kemaq leise.
» Ich habe nicht nur dich großgezogen, Chaski, sondern auch andere Männer. Manche scheinen sich nicht gerne daran erinnern zu wollen, aber wenn ich sie etwas frage, dann können sie doch nicht anders, als mir Antwort zu geben.«
» Du hast das von Qupay?«, fragte Kemaq überrascht.
» Das habe ich nicht gesagt«, antwortete die Alte mit listigem Seitenblick.
» Ich könnte es auch kaum glauben, denn mein Bruder scheint über seine Liebe zum Sonnengott doch alle anderen Götter vergessen zu haben, vor allem die alten Götter unseres Volkes.«
» Da ist er nicht der Einzige«, sagte Mocto trocken. » Und die wenigen, die sie noch verehren, wagen es nur heimlich. Ich weiß sehr wohl, dass du dich immer wieder zum Huaca unserer Ahnen geschlichen hast. Ich weiß allerdings nicht, ob die mächtige Regenschlange zufrieden ist, wenn ihr nur im Verborgenen gehuldigt wird.«
» Es ist außerordentlich faszinierend, Comtesse, und wirklich bedauerlich, dass Ihr es nicht sehen könnt«, rief Albrecht von Straßburg. Der Alchemist war vor der Stadt gewesen, da ihm dort auf seinem Flug etwas aufgefallen war: » Ein Tempel vor den Mauern, der nicht dem Sonnengott gewidmet ist«, erklärte er jetzt. » Es scheint, dass sie dort ihre Ahnen verehrten, aber ich habe auch kleine Zeichnungen gefunden, die darauf hindeuten, dass dort einer gefiederten Schlange gehuldigt wurde.«
Mila hörte dem Gelehrten interessiert zu. Sie standen in dem verlassenen Tempel der Stadt. Der Alchemist hatte ihr erklärt, dass er aus zwei Gebäuden bestand: einem mit vielen Kammern und einer großen Halle, das er für eine Art Wohn- und Empfangshaus hielt, und daneben einer kleinen Stufenpyramide, auf der, so der Alchemist, die Inka dem Sonnengott ihre Opfer brachten. Sie genoss die ausführlichen Erklärungen des Gelehrten. Er war der Einzige, der sich wirklich Zeit dafür nahm. Endlich bekam sie ein besseres Bild von dieser Stadt aus grauem Stein und von der Kultur der Indios. Nabu sah es zwar nach wie vor nicht gern, dass sie mit ihm Umgang hatte, aber er hatte andererseits nichts dagegen, dass sie ihm alles erzählte, was der Gelehrte über Pachakamaq herausfand. Jetzt kam ihr jedoch eine andere Frage in den Sinn: » Sagt, Meister Albrecht, habt Ihr schon von den Chachapoya gehört?«
Der Alchemist kratzte sich am Kopf. » Ja, von diesen Indios habe ich gehört. Es ist ein Stamm oder ein Volk. Die Indios dichten den Menschen dieses Stammes magische Fähigkeiten an.«
» Welcher Art?«, fragte Mila nach.
» Das ist schwer zu sagen, denn mir kam da nur allerlei abergläubisches Geschwätz zu Ohren, auf das man nicht viel geben kann. Es hieß, diese Menschen könnten sich in Wolken verwandeln, wenn mich mein Quechua, welches leider viel schlechter ist als Eures, nicht getäuscht hat. Aber wieso fragt Ihr?«
» Ohne besonderen Grund, ich habe das Wort in Zusammenhang mit den Bergen gehört, die noch vor uns liegen«, wich Mila aus.
» Es scheint Euch aber zu beschäftigen, Comtesse«, sagte der Gelehrte freundlich. » Ja, ich möchte fast sagen, Ihr klingt ein wenig besorgt.«
» Nun, es ist nichts, nur eine Eingeborene, die mich warnte, dass die Berge der Chachapoya gefährlich für uns sind.«
» Eigenartig«, meinte Meister Albrecht. » Man sollte doch meinen, dass dieses ganze Land, welches wir uns anschicken zu erobern, uns feindlich gesinnt, also gefährlich
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