Drachensturm
leid, Comtesse, aber ich kann nicht erklären, was ich nicht gesehen habe – und Ihr eben leider auch nicht«, sagte Meister Albrecht.
» Der ganze Wald schien in Bewegung zu geraten, und der Boden unter meinen Füßen bewegte sich«, wiederholte Mila.
» Ja, das habt Ihr erwähnt, Comtesse. Wie hat denn Euer Drache diese Dinge erklärt?«, fragte Meister Albrecht.
» Nabu sagt, dass es nur Einbildung war, ein bisschen Wind in den Bäumen, eine Schlange im Gras.«
» Aber Ihr zweifelt an seinen Worten?«
Mila seufzte. » Redet doch selbst mit ihm, Meister Albrecht.«
Sie hörte, dass sich der Gelehrte am Kopf kratzte. » Ich kann es versuchen, Comtesse, doch Ihr wisst ja, wie die Drachen zu mir stehen. Ich bezweifle, dass Nabu gerade mir etwas erzählen wird, was er Euch nicht sagen will.«
» Ihr könntet es wenigstens versuchen, Meister Albrecht«, forderte Mila.
» Ja, Comtesse, das werde ich auch, aber vielleicht wollt Ihr mir noch ein wenig über diesen Fluss erzählen, den Ihr und Euer Drache gefunden habt?«
» Ein Fluss eben. Er enthält Wasser«, rief Mila ungehalten. Dann seufzte sie. » Verzeiht, ich kann nur sagen, was Nabu mir … erzählt hat. Der Fluss scheint nach Norden zu fließen, und Nabu meinte, dass er wohl nicht in den Pazifik münden wird.«
» Faszinierend. Wir befinden uns hier nah am westlichen Rand dieses riesigen, kaum erforschten Erdteils, und Ihr seid auf einen Fluss gestoßen, der nach Osten fließt. Wirklich, Ihr entdeckt erstaunliche Sachen, Comtesse.«
» Es ist ja nur eine Vermutung, Meister Albrecht, Nabus Vermutung zudem, nicht meine.«
» Ich bin geneigt, ihm beizupflichten, denn warum sollte der Fluss die westlichen Kordilleren überwinden, wenn er doch an den östlichen entspringt? Auch ist uns kein großer Fluss bekannt, der an der Westküste seine Mündung hätte. Nein, ich bin sicher, dieser Fluss wird uns tief hineinführen in das Herz dieses geheimnisvollen Kontinents.«
» Er würde, Meister Albrecht, wenn uns Don Francisco nicht stur nach Norden führen würde«, entgegnete Mila.
» Ja, sicher, es geht nach Caxamalca, aber ich denke nicht, dass dort das Ende unseres Weges liegt«, meinte der Gelehrte.
» Dennoch habt Ihr versucht, die Pizarros umzustimmen, oder?«, fragte Mila.
Der Gelehrte seufzte. » Ich kann ja leider nicht allein durch dieses gefährliche Land ziehen, Comtesse, aber wenn ich einen Drachen hätte, so wie Ihr, dann … aber nein. Doch vielleicht kann eine geeignete Person mit ihrem Drachen an meiner Stelle …« Er beendete den Satz nicht.
Mila runzelte die Stirn. » Meister Albrecht, wollt Ihr mir etwa nahelegen, noch einmal auf eigene Faust nach Tanyamarka zu suchen? Ich verzichte dankend, denn mein Großonkel war nicht sehr erfreut über meinen gestrigen Ausflug. Und selbst Marduk scheint darüber sehr ungehalten zu sein. Und – mitnehmen könnte ich Euch ohnehin nicht«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Der Alchemist lachte gequält. » Das ist mir bewusst, Comtesse, das ist mir nur allzu schmerzhaft bewusst. Und ich fürchte, der Flug auf Behemoth wird ein einmaliges Erlebnis für mich bleiben.«
» Wie habt Ihr Ritter Balian eigentlich dazu gebracht, Behemoth um diesen großen Gefallen zu bitten?«, fragte Mila, denn diese Frage beschäftigte sie schon lange.
» Wie? Oh, ich habe ihn einfach darum gebeten, Comtesse. Und da ich ihm bei einer anderen kleinen Sache behilflich war, fühlte er sich mir wohl verpflichtet. Und meine Apparate, sie sind so empfindlich. Aber noch einmal kann ich ihn wohl nicht bitten. Doch entschuldigt mich, mir ist etwas eingefallen, das ich dringend notieren muss, bevor ich es erneut vergesse«, sagte der Gelehrte und verabschiedete sich.
Mila lauschte auf seine Schritte. Er schien es plötzlich ziemlich eilig zu haben. Sie fragte sich, was für einen Gefallen der Gelehrte den Wolfeggs getan haben mochte, dass Balian sich ihm verpflichtet fühlte. Ein Ritt auf einem Drachen war für jeden Menschen ein Privileg, und für einen Alchemisten war es eigentlich unerreichbar. Eine » kleine Sache« konnte es jedenfalls nicht gewesen sein. Sie verstand einfach nicht, was diese Männer miteinander verband, und das beunruhigte sie.
Kemaq erzählte und erzählte. Er redete mehr als je zuvor in seinem Leben, immer unter dem steinernen Blick von Rumi-Nahui. Der Feldherr stellte viele Fragen, und die meisten betrafen die Waffen der Fremden und ihre Reittiere. » Ich habe von diesen vierbeinigen Tieren
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