Drachensturm
plötzlich fröhlich: » Ausgezeichnet! Doch jetzt vergesst die bitteren Worte und lasst uns überlegen, welche Botschaft wir dem Inka übermitteln wollen.«
Als Kemaq das große Haus des Sapay Inka wieder erreichte, war der Vorhof immer noch voller Menschen. Atahualpa war jedoch nicht dort. Stattdessen nahm einer seiner Berater Kemaq den Bericht ab, und Kemaq musste in jeder Einzelheit die Worte und Taten der Fremden schildern. Er erwähnte auch, dass die Fremden inzwischen Hilfe von Yunga von der Küste erhielten.
» Das wissen wir, Chaski. Es sind Gefangene«, sagte der Berater.
Kemaq kam es vor, als seien diese Worte mehr an die Versammlung im Hof als an ihn gerichtet. Er widersprach nicht, obwohl er es besser wusste, hatten doch nur einige in Ketten gelegen. Dann wurde er entlassen. Als er den Hof verließ, war er erleichtert, dass Atahualpa ihn nicht selbst befragt hatte, aber gleichzeitig auch ein wenig enttäuscht darüber. Er suchte nach Qupay, denn er musste ihm dringend die gute Nachricht überbringen, dass ihr Bruder noch lebte. Er fand ihn nicht in Huaxamacs Zelt, und auch der Hohepriester war nicht dort. Er erfuhr von einem anderen Priester, dass Huaxamac zu Atahualpa gerufen worden war und Qupay ihn vermutlich begleitet hatte. Jetzt war Kemaq etwas ratlos, kam er doch gerade vom Zelt des Sapay Inka und hatte dort weder seinen Bruder noch den Hohepriester gesehen. Plötzlich tauchte Melap auf. Er trug einen ledernen Wassereimer, den er ins Zelt Huaxamacs schleppte. Mit einem Wink bedeutete er Kemaq zu warten.
» Das wurde aber auch Zeit, Mann«, herrschte der Priester den alten Tempeldiener an.
Melap überreichte ihm stumm den Eimer und zog sich mit einer Verbeugung zurück. » Komm mit, Chaski, wir haben zu reden«, sagte er dann, als er das Zelt wieder verlassen hatte.
Wieder ging es hinaus aus dem Lager. » Ich bin erstaunt, dass du immer noch hier bist«, begann der Alte.
» Das Gleiche könnte ich auch von dir sagen, Melap«, erwiderte Kemaq bissig.
Der Alte lächelte schief, dann sagte er: » Es werden heute viele Orakel befragt, und viele Zeichen werden gedeutet werden. Und doch, Pachakuti lässt sich nicht aufhalten!«
Kemaq fühlte einen leichten Schauder. Die Zeitenwende, das Ende der Inkaherrschaft; bis vor kurzem hätte er sich das nicht einmal vorstellen können, doch jetzt hatte er die Macht der Fremden gesehen. Es konnte wirklich geschehen. » Ich habe gehört und auch gesehen, dass auch Chachapoya unter den Wachen des Sapay Inka sind, Melap«, sagte er jetzt.
» Ihre Tapferkeit ist berühmt«, erwiderte der Tempeldiener mit einem seltsamen Anflug von Stolz.
» Sie scheinen mir nicht sehr begierig darauf zu sein, dass Pachakuti kommt«, setzte Kemaq seinen Gedankengang fort.
Die Miene des alten Chachapoya verdüsterte sich. » Sie wissen nichts davon, denn sie geben nichts auf die Weisheit ihrer Vorfahren. Seit ihre Eltern und Großeltern die Heimat verlassen mussten, ist vieles vergessen worden. Die Wurzel wurde durchtrennt, und es wird nicht einfach sein, den Stamm zu heilen.« Er seufzte und fuhr dann fort: » Weißt du, Chaski, wir waren gefürchtet, unsere Krieger noch mehr als unsere Zauberer. Wir hatten Festungen über den Wolken. Von dort stürzten sich unsere Krieger auf den Feind, und niemand konnte ihnen standhalten. Wolkenmenschen und Nebelkrieger, so haben uns die Inka genannt. Doch der Nebel verwirrte auch unsere Stämme, und unsere alte Einigkeit verging. So konnte das Sonnenvolk mit seinen zahllosen Verbündeten und Unterworfenen uns schließlich besiegen, einen Stamm nach dem anderen. Unser Land ist nun verlassen, unsere Städte sind vergessen, und unsere Krieger dienen dem alten Feind. Aber vielleicht werden sie sich wieder an uns erinnern, wenn Atahualpa tot und sein Reich zerschlagen ist. Für viele Völker wird dann der Tag kommen, an dem sie in ihre alte Heimat zurückkehren können. Für Chachapoya ebenso wie für Chimú, und für Yunga ebenso wie für Marachuna.«
» Es sind einige Yunga mit dem Feind hierhergekommen, Melap«, sagte Kemaq.
» Siehst du? Es beginnt schon, die Ersten wenden sich ab vom Sapay Inka. Auch hier sind doch schon Krieger davongelaufen, die nicht mehr für Atahualpa kämpfen wollen, weil sie wissen, dass Pachakuti kommt.«
» Ich denke, es sind vielleicht auch nur Anhänger seines Bruders Huáscar«, wandte Kemaq ein.
Der Alte runzelte die Stirn. » Was willst du damit sagen, Chaski?«
» Selbst wenn Atahualpa eines Tages
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