Drachensturm
sterben sollte, so hat er doch Brüder, viele Brüder, und Huáscar und seine Erben werden es sicher kaum erwarten können, an die Macht zurückzukehren.«
Der Chachapoya schüttelte den Kopf. » Weißt du nicht, dass Atahualpa fast die ganze Familie seines Bruders hat töten lassen? Vom Greis bis zum Säugling, er hat keinen verschont, der Huáscar nahestand, und nur seinen Bruder selbst hat er bislang nicht getötet.«
» Er hat seine Verwandten umgebracht?«, rief Kemaq entsetzt.
Melap sah ihn nachdenklich an. » Du weißt wirklich wenig über die Grausamkeit des Herrn, dem du dienst, Chaski. Hast du den goldenen Schädel nicht bemerkt? Es ist der Schädel eines der Feldherren seines Bruders, und Atahualpa trank aus ihm, als er den Sieg über Huáscar feierte.«
Kemaq sah betroffen zu Boden. Sein Bruder Jatunaq hatte einige dunkle Andeutungen gemacht und hatte auch nicht über das reden wollen, was in Cuzco geschehen war. Jetzt hatte er es von diesem geheimnisvollen Alten erfahren.
» Die Zeichen sagen, dass morgen der Tag der Entscheidung ist, Chaski«, fuhr der Tempeldiener fort.
» Schon morgen?«
» So ist es. Wenn du also nicht so klug bist, dieses unglückselige Heer zu verlassen, so sei wenigstens so schlau, dich aus den Kämpfen herauszuhalten. Pitumi braucht dich noch, Chaski.«
» Warum ausgerechnet mich, Melap? Es gibt so viele Läufer auf unseren Wegen.«
» Aber nicht viele sind Marachuna, und noch weniger glauben an Tamachoc. Doch genug davon, Chaski. Noch einmal rate ich dir – nein, ich fordere dich auf –, so schnell wie möglich nach Tanyamarka zu gehen.«
» Aber ich kann nicht fort«, sagte Kemaq unglücklich. Er dachte an seinen Bruder. Jatunaq war in Caxamalca, da konnte er nicht davonlaufen. Ganz im Gegenteil. Er musste versuchen, ihn zu befreien.
Am Nachmittag hatten die Spanier sich in Caxamalca eingerichtet. Sie waren mit einem gewissen Hochgefühl in die Stadt einmarschiert, die sie nach so großen Anstrengungen endlich erreicht hatten, aber das war einer bedrückten Stimmung gewichen, und die Männer zählten die Zelte der Indios, die die Hügel vor der Stadt bedeckten. Francisco Pizarro sprach seinen Leuten Mut zu und erinnerte sie daran, dass Almagro mit der Verstärkung und fünf weiteren Drachen bald eintreffen würde. » Ich frage mich wieder, woher er diese Zuversicht nimmt«, kommentierte Nabu, » wir haben doch seit Tagen nichts von Almagro gehört.«
Mila gab ihm im Stillen Recht. Sir William war beauftragt worden, Verbindung zu den Männern zu halten. Er war mit Schamasch aufgebrochen, nachdem sie die Hochebene erreicht hatten, und das war nun beinahe eine Woche her. Woher wollte Pizarro also wissen, wo Almagro war?
Pizarro wählte jetzt fünfzehn Reiter aus, die er unter das Kommando seines Bruders Hernando stellte. Sie sollten als seine Gesandtschaft den Sapay Inka besuchen. Dann kam er zu Mila und bat sie darum, die Männer zu begleiten.
» Ich, Don Francisco?«, fragte sie völlig überrascht.
» Ich habe mit Eurem Großonkel bereits darüber gesprochen. Er stimmt meinem Vorhaben zu, und soweit ich weiß, seid Ihr durchaus in der Lage, auch ein Pferd zu reiten.«
» Aber was versprecht Ihr Euch davon?«, fragte Mila verwundert.
» Ihr tragt die Borla, zumindest glauben das die Indios, so werden sie Euch vielleicht als gleichrangig zu Atahualpa ansehen, oder wenigstens werden sie Euch für eine Fürstin halten. Auch die helle Farbe Eures Haares wird viel Eindruck bei ihnen machen, und das ist es, worum es bei diesem Besuch geht, Condesa. Wir wollen sie beeindrucken. Außerdem sprecht Ihr von allen, die ich kenne, das beste Quechua, und es wäre gut, wenn unsere Botschaft ohne Missverständnis übermittelt würde.«
Mila zögerte, sie erinnerte sich an den letzten Zwist, den der Hochmeister mit Pizarro ausgefochten hatte.
» Euer Angebot ehrt mich, Don Francisco, doch muss ich Euch sagen, dass auch ich es nicht für sehr ritterlich halte, den Fürsten dieses Volkes in eine Falle zu locken.«
Pizarro schwieg einen Moment, dann sagte er: » Wäre es Euch lieber, er schlachtete uns ab? Erinnert Ihr Euch nicht daran, dass alle mich davor warnten, hierherzukommen, gerade auch Euer Onkel, weil diese Einladung eine Falle sein könnte? Natürlich ist es eine! Wenn Ihr Atahualpas riesiges Heer sehen könntet, Condesa, würdet Ihr nicht mehr daran zweifeln. Ich vergelte also Gleiches nur mit Gleichem. Außerdem habe ich nicht vor, den Inka zu töten. Ich will ihn
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