Drachensturm
gehabt, Staub und Sand hatten sie begraben, bevor der große Brocken, der ihn einklemmte, sie verletzen oder gar zerschmettern konnte. Aber der Stein hatte sich unter anderen verkeilt, und Kemaq, der nicht aufstehen konnte, schaffte es nicht, ihn zu bewegen.
Plötzlich tauchte neben ihm im Staub jemand auf. » Warte, ich helfe dir«, sagte er. Es war Yanapi.
» Warum bist du nicht draußen? Das Geröll wird dich begraben«, rief Kemaq hustend.
» Unsinn«, sagte der Marachuna knapp. Er trug vorsichtig einige der oberen Steine ab. Erst dann gelang es ihnen, den schweren Brocken, der Kemaq eingeklemmt hatte, so weit zu bewegen, dass er freikam. Kemaq spuckte Staub aus. » Ich danke dir, Mann«, keuchte er.
» Warte«, sagte der andere, als sich Kemaq anschickte, hinauszulaufen.
» Was ist? Ich ersticke gleich«, hustete Kemaq.
» Der Staub – er zieht hinaus, merkst du das nicht?«
Und als Kemaq nicht verstand, fügte er hinzu: » Es zieht Luft durch den Gang. Wir haben es geschafft!«
Kemaq starrte auf den Berg Geröll, der den Gang verschloss. » Ich sehe keinen Durchgang«, sagte er langsam.
» Was erwartest du? Eine Straße? Ein Tor? Das Geröll ist abgesackt, du musst hinüberkriechen. Vielleicht ist es nur ein schmaler Spalt, aber ich werde dir helfen, ihn freizumachen. Doch wir sollten uns beeilen, bevor der Yunga zurückkehrt.«
Kemaq kroch vorsichtig hinauf auf das Geröll.
» Warte, die hier wirst du brauchen«, sagte der Marachuna und drückte ihm drei Kienspäne in die Hand. Einen brennenden nahm Kemaq zwischen die Zähne, während er weiterkroch. Es knirschte, und Steinbrocken polterten zu Boden. Tatsächlich, er spürte einen schwachen Luftzug, der aus der Dunkelheit kam. Er kroch weiter.
» Wird es gehen?«, fragte der Marachuna.
Wieder sackte der Haufen plötzlich ein Stück ab, und der Mann hinter ihm schrie auf.
» Bist du verletzt?«, rief Kemaq nach hinten.
» Nicht schwer, nicht schwer. Los – der Yunga wird bald wieder hier sein.«
Kemaq nahm den Span wieder zwischen die Zähne und schob sich weiter voran. Wie eine Eidechse zwängte er sich zwischen den Steinen und der Decke hindurch. Wenn er stecken blieb, war er verloren. Er wandte sich noch einmal um. » Kommst du mit?«, rief er.
» Nein, ich bin kein Chaski. Das ist dein Lauf, Kemaq, doch beeil dich, ich höre Schritte.«
Kemaq zwängte sich weiter zwischen den Steinen hindurch. Der Kienspan zwischen seinen Zähnen wurde schwächer und schwächer. Felsgrate schnitten ihm in den Rücken, und das Geröll schürfte ihm die Haut von den Oberschenkeln. Er spürte Blut an der Hüfte, als es einmal besonders eng wurde, aber er kam voran. Der Luftzug war jetzt deutlich fühlbar. Er roch feucht und modrig, und tiefschwarze Finsternis erwartete ihn. Kemaq kroch vorsichtig weiter.
Mila war in der Kammer gefangen, in der sie sich versteckt hatte. Sie massierte sich den linken Arm, aber er blieb taub wie ein Stück Holz. Es war ihr schwergefallen, in ihre Stiefel zu schlüpfen – nie zuvor war ihr aufgefallen, wie sehr sie doch beide Hände brauchte. Einige der Männer, die Pizarros Ruf gefolgt waren, warteten vor dem Saal, und damit standen sie auch vor dem Ausgang. Dort kam sie also nicht hinaus.
Sie kannte das Gebäude kaum. Es gab zwei Stockwerke, das wusste sie wenigstens, das untere war fensterlos, doch gab es oben Fenster? Sie hatte nie jemanden danach gefragt, wozu auch? Jetzt war sie eingesperrt in einem Käfig, dessen Gitter vielleicht riesige Löcher hatte – die sie nur leider nicht sehen konnte. Sie hoffte, dass die Männer auf dem Gang endlich verschwinden würden, aber sie taten ihr den Gefallen nicht. Schließlich beschloss sie, etwas zu versuchen. Es musste einfach Fenster im zweiten Stock geben – und sie musste irgendwie dorthin gelangen. Sie atmete tief durch und schlich aus der Kammer bis zum langen Gang. Sie horchte: Der Gang schien leer zu sein. Sie schlich hinaus. Mit dem Stab suchte sie nach Hindernissen, während sie sich so schnell wie möglich vorantastete. Ein einzelner achtlos fortgeworfener Krug konnte ihren Untergang bedeuten. Ein einziger Mann, der irgendwo in einer Kammer saß und sie vorbeihuschen sah, wäre ihr Ende.
Fast wäre sie gegen die Wand gelaufen, denn der Gang bog plötzlich ab. Sie blieb stehen, lauschte und tastete mit ihrem Stab leise den Boden ab. Ein Hindernis – nein, eine Stufe! Sie hatte die Treppe nach oben gefunden. Sie stieg hinauf, so leise wie möglich, hielt inne, als
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