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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ihr Stab die letzte Stufe ertastete, und lauschte wieder. Fackeln flackerten an den Wänden. Aus einer der Kammern kam leises Gemurmel. Mila hörte genauer hin: Quechua, dort waren also Indios untergebracht. Vielleicht die Dienerschaft. Sie hielt den Atem an und lauschte. Da musste es doch eine Wache geben! Sie hörte nichts außer ihrem eigenen Herzschlag. Entweder, die Wache bewegte sich nicht, oder es gab wirklich keine. Sie hörte Rufe aus dem Gang hinter sich, dann Schritte. Die Ungewissheit zerrte an ihren Nerven. Es wäre ihr fast lieber gewesen, sie hätte eine Wache gehört, aber sie konnte nicht auf der Treppe bleiben.
    Mit angehaltenem Atem tastete sie sich leise voran, den Stab bereit für einen Kampf. Sie trat auf den Gang hinaus – Stille. Keine Wache? Sie hielt den Atem an und schlich weiter durch die Finsternis, die ihre Welt war. Der Gang schien an vielen Kammern vorüberzuführen. Mila spürte den Stoff der Vorhänge vor den Eingängen. Sie huschte durch den nächsten. Ihr Stab stieß auf viele Hindernisse. Ein Lager vielleicht. Sie kehrte um, versuchte die nächste Kammer. Wieder fand sie sie mit Dingen vollgestopft. Es war stickig, also gab es vermutlich auch kein Fenster. Sie schlich zum nächsten. Hier war die Luft besser. Sie tastete sich voran. Auch in dieser Kammer waren Dinge gestapelt, und viele fremde Gerüche stiegen ihr in die Nase. Also wieder ein Lager. Ihr Stab stieß gegen so etwas wie einen Tisch, aber aus dieser Richtung kam die frische Luft. Endlich erreichte sie die Wand. Da, das Fenster – sie tastete es ab, aber es war viel zu schmal. Eigentlich war es nur ein Schlitz in der Mauer. Sie tastete weiter die Wand entlang, was mühsam war, denn ihre Linke war immer noch taub wie Stein, und sie musste den Stab unter den Arm klemmen. Sie fand noch zwei weitere, kaum handbreite Schlitze, die die Erbauer in der dicken Mauer offen gelassen hatten. Es führte kein Weg hinaus. Sie rang die aufsteigende Panik nieder und kehrte um. Irgendwo knarrte etwas Hölzernes. Eine Tür? Das schien ungewöhnlich, aber genau so klang es. Dann hörte sie Schritte auf dem Gang. Schwere spanische Stiefel. Aber nein, nicht auf dem Gang – sie kamen eine steinerne Treppe herunter. Gab es hier drei Stockwerke? Sie hatte den Palast durch Nabus Augen gesehen, wenn auch nur von weitem. So groß hatte er doch gar nicht gewirkt.
    Sie hielt den Atem an, als der Mann an ihrem Versteck vorüberschlenderte. Er schien in eine der nahen Kammern zu treten.
    » Ah, gibt es etwas Neues?«, fragte eine Stimme.
    » Nein, alles ruhig. Die Stadt scheint zu schlafen, niemand ahnt, was wir vorhaben. Aber es ist eine sternklare Nacht, und kalt wird sie auch.«
    » Die Ruhe wird bald enden, denke ich«, meinte die erste Stimme.
    » Ganz wohl ist mir bei der Sache nicht«, meinte der Zweite.
    » Plagt dich dein Gewissen? Er soll doch ein Ketzer sein, und sie eine Hexe«, sagte der andere. Das hat sich ja schnell herumgesprochen, dachte Mila grimmig.
    » Hat der Kleine Graf dir das auch erzählt?«, fragte der Zweite. » Aber ich rede nicht von meinem Gewissen, das ist rein, wie Gott weiß, denn die Padres sagen doch, dass es sein muss. Worüber ich mir viel mehr Sorgen mache, das sind die Drachen.«
    » Wohl wahr«, erwiderte der Erste. » Aber ich verlasse mich darauf, dass der Kleine Graf seinen Teil tut.«
    » Ich traue ihm nicht«, meinte der Zweite. » Hast du ihm mal in die Augen gesehen? Es fällt ihm schwer, dem Blick eines ehrlichen Mannes standzuhalten. Es hat schon seinen Grund, dass ihn nicht einmal die Drachen mögen. Und seit Tagen sein Geflüster, dass dieses Mädchen eine Hexe ist. Hast du sie dir angesehen? Blind ist sie und wirkt so harmlos.«
    » Aber sie reitet auf einer riesigen Bestie, und ich habe mich immer schon gefragt, wie das möglich ist.«
    Mila durchfuhr es wie ein Blitz: Das Dach! Warum war sie nicht schon längst darauf gekommen? Die Treppe führte offensichtlich aufs Dach, vielleicht, weil die Indios dort oben irgendwelche Rituale abhielten. Wenn sie dort hinaufkam, konnte sie die Drachen rufen. Es war noch nicht alles verloren! Sie musste nur verhindern, dass sie auf dem Platz landeten. Doch die Männer, die sich unterhielten – sie hatte den Eindruck, dass sie sich in der Kammer befanden, aber sicher war sie nicht. Es gab hier keine Türen, nur Vorhänge, und wenn der Vorhang nicht geschlossen war, würde man sie entdecken.
    Sie sammelte all ihren Mut und schlich leise aus der Kammer. Die

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