Drachensturm
nicht diesen paar Yunga überlassen«, sagte er. » Die werden sich hier kaum halten können.«
» Dann überlasst sie eben dem Curaca, der sie vorher regiert hat«, meinte Nabu trocken, » was macht das für einen Unterschied?«
» Aber eine Stadt dem Feind zu überlassen – das ist Hochverrat«, wandte der Conte di Collalto unglücklich ein.
» Nun, es war Hernando Pizarro, der sie aufgegeben hat, oder?«, fragte Nabu zurück.
Mila seufzte. Dieser Disput erschien ihr mehr als abwegig, aber der Marschall dachte wohl immer noch wie ein treuer Diener des Kaisers. Sie sagte: » Ich bitte Euch – von Standpunkt der Spanier sind wir doch längst schon Verräter. Warum übergebt Ihr die Stadt nicht einfach wieder diesem Curaca, wenn er dafür verspricht, uns, und nur uns, in Zukunft zu unterstützen.«
» Ihr meint – ein eigenes Bündnis? Gegen die Pizarros?«, fragte der Marschall.
» Und gegen den Sapay Inka«, bekräftigte Mila. » Ich denke, sie sind nicht unglücklich, wenn sie beide Parteien los sind.«
» Ein kühner Vorschlag«, meinte der Conte.
» Ein kluger Vorschlag. Wie es scheint, hat ein wenig von unserer Weisheit auf unsere Schwester abgefärbt«, meinte Nabu.
Der Marschall rief Don Mancebo und Robert de Lanois heran, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Der Fray untersuchte in der Zeit Nabus Wunde, aber es gelang ihm nicht, die Kugel zu entfernen. » Sie ist tief eingedrungen, und jemand, der mehr davon versteht als ich, müsste sie herausholen. Wenn ich es tue, mache ich die Verletzung vielleicht nur schlimmer«, erklärte er.
» Sie wird von selbst verheilen. So ist das nämlich bei uns Drachen«, behauptete Nabu, was Mila mit gewisser Skepsis hörte. Sie fragte ihn, ob sie weiterhin auf das Reitgeschirr verzichten solle, da sie Sorge hatte, es könne an der Wunde scheuern und ihm Schmerzen bereiten, aber er bestand darauf, es zu tragen.
» Bei dem wilden Ritt, der nun vor uns liegt, könnte ich dich sonst leicht verlieren, Prinzessin«, sagte er trocken.
Also legte sie gemeinsam mit Ruiz dem Drachen das Geschirr an, das bei ihrer verzweifelten Flucht zurückgeblieben war. Der Waffenknecht war recht einsilbig gewesen, als er aus dem Wald zurückkehrt war. » Vorgestern haben wir noch Seite an Seite gekämpft, gestern versuchten sie, mich umzubringen. Das kann ich nicht verstehen, nein, das will ich nicht verstehen«, erklärte er düster, und mehr wollte er zu den tragischen Ereignissen nicht sagen.
Mila merkte ihm die Erschütterung aber auch ohne viele Worte an. Er half ihr beim Geschirr, ohne das übliche Lamento, und als er dann noch einmal ohne Begründung verschwand, kehrte er später mit Milas Rüstung wieder. » Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte sie mit wenig Begeisterung.
» Es ist bitter nötig, Condesa«, belehrte sie Ruiz, » denn es geht nicht mehr gegen die Wilden mit ihren Waffen aus Stein, sondern gegen Spanier mit Schwertern aus Stahl und mit Feuerwaffen, die sogar Drachen verwunden können!«
Nabu pflichtete ihm bei: » Es ist ja nicht so, dass ich mich über zusätzliches Gewicht freue, aber Ruiz hat Recht – unser neuer Feind verfügt über tödliche Waffen, und es wäre ausgesprochen dumm, ihm nicht bestens gerüstet entgegenzutreten.«
Als sie die Rüstung angelegt hatte, schwang sich Mila auf Nabus Rücken und ließ Ruiz noch einmal das Geschirr prüfen. Plötzlich fühlte sie eine große innere Unruhe. Wie schnell das alles gegangen war – eine einzige Nacht hatte genügt, diesen jahrhundertealten Orden zu zerstören. Sie war hin und her gehetzt und hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken, was vor ihr lag, aber jetzt, als sie sich bereit machte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass es die Vorbereitungen für eine Schlacht waren, eine Schlacht mit sehr ungewissem Ausgang. Sie dankte Ruiz, und dann bat sie ihn und Fray Celso um einen Gefallen: » Wenn es Euch möglich ist, so wartet bitte, bis Ihr meinem Onkel und den anderen ein würdiges Begräbnis geben könnt. Danach aber solltet Ihr nach Chan Chan zurückgehen. Dietmar ist dort, er wird Euch sicher helfen. Wenn Ihr hier in dieser Stadt bleibt, wird man Euch ebenfalls als Verräter ansehen, und Ihr könntet wohl nie wieder nach Spanien zurück.«
» Ich bleibe«, meinte Ruiz.
» Der Orden der Drachenritter wird auch in Zukunft geistlichen Beistand benötigen«, erklärte der Fray tapfer.
Mila lächelte. » Ich weiß Eure Treue zu schätzen, aber ich fürchte, die Tage unseres Ordens sind gezählt,
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