Drachensturm
müsse.
» Ihr meint, mit Feuer die Häuser niederbrennen? Mit dem Schwert die ganze Stadt erobern? Heute Nacht?«, fragte der Marschall mit ironischem Unterton.
» Mit eiserner Faust, mit Feuer und mit Schwert, noch heute Nacht, ganz recht«, erwiderte Balian.
Der Ordensmarschall sprach sich jedoch klar dagegen aus: » Ich zweifle nicht daran, dass wir siegen würden, Bruder Balian, doch halte ich es für völlig unnötig, jetzt, wo Pizarro und seine Männer doch bald hier sind, noch einmal ein Blutvergießen zu riskieren.«
» Gerade weil die Flotte morgen hier ist, sollten wir es tun«, hielt ihm Graf Tassilo entgegen, » denn es würde unser Ansehen in den Augen der Spanier ungemein stärken.«
» Nicht in den Augen aller Spanier«, meinte Don Mancebo trocken, woraufhin der Tressler verächtlich zischte. Das wiederum brachte die anderen spanischen Ritter gegen ihn auf. Mila war bisher nicht aufgefallen, dass sie sich besonders mit dem Mauren verbunden fühlten, aber offenbar wähnten sie sich jetzt herausgefordert. Der Hochmeister hielt sich, wie Mila fand, zunächst betont zurück, schließlich ergriff er aber doch das Wort. » Ich danke Euch, Ihr Herren, für den Eifer, den Ihr hier an den Tag legt, doch erscheint es mir viel zu spät und auch unnötig, jetzt noch einen Kampf anzuzetteln. Natürlich würden wir siegen, aber jeder unserer Männer, der fiele, wäre ein unersetzlicher Verlust, zumal uns doch auch die Männer fehlen, um diese ganze Stadt zu kontrollieren. Nein, wir warten auf Pizarro. Wenn diese Heiden erst einmal die Flotte zu Gesicht bekommen, werden sie schnell begreifen, wie überlegen wir ihnen sind, und sich unterwerfen. Auch deshalb wäre es schlicht unsinnig, jetzt noch einen Kampf zu beginnen, bei dem wir doch nur Männer töten, die vielleicht bald Verbündete sein werden.«
» Habt Ihr vergessen, dass der Häuptling dieser Stadt uns gedroht hat?«, fragte Graf Tassilo missmutig.
» Ich glaube nicht, dass er noch lange Häuptling sein wird«, entgegnete Maximilian von Friedberg gelassen.
Ein paar der Ritter lachten, und damit entspannte sich die Lage. Mila spürte jedoch, dass nicht alle Ritter mit seiner Entscheidung einverstanden waren. Die Versammlung wurde aufgelöst, und die Männer entfernten sich, um noch einmal nach ihren Drachen zu sehen, ihren Wachdienst anzutreten oder sich um andere Pflichten zu kümmern. Mila, die solche Pflichten nicht hatte, wollte unbedingt mit Nabu sprechen, denn sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Fragen so schnell wie möglich klären musste, noch bevor die Flotte eintraf. Sie wurde jedoch vom Hochmeister gebeten, noch einen Augenblick zu warten, und widerstrebend folgte sie dem Wunsch ihres Großonkels.
Einer der Krieger stand hinter dem Vorhang und spähte hinaus. Die Stimmen wurden lauter, und die Schritte schwer gepanzerter Männer dröhnten durch den langen Gang. Kemaq konnte durch den schmalen Spalt an der Seite des Vorhanges einen Blick auf sie erhaschen: blitzende Rüstungen, Männer mit heller Haut und hellen, aber auch dunklen Haaren. Sie sahen alle sehr ernst aus. Dann verklangen die Schritte, und nach einer Weile waren nur noch zwei Stimmen zu hören. Die eine gehörte einem älteren Mann, wie Kemaq dachte, die andere war eindeutig weiblich, und es gab nur eine Frau unter den Fremden. Sie unterhielten sich, und hatte es vorher noch geklungen, als würden die Fremden heftig streiten, so klang es nun, als seien sie sehr miteinander vertraut. Ob die Goldhaarige die Gefährtin des anderen war?
Das Licht im Gang veränderte sich. Kemaq sah Jatunaq, der eine Fackel aus ihrer Halterung an der Wand nahm und die Flamme mit einem Tuch erstickte. Dann verschwand er mit einem zweiten Krieger in einer dunklen Kammer auf der anderen Seite des Ganges. Kemaq starrte durch den schmalen Spalt in die Dunkelheit. Die beiden Fremden unterhielten sich immer noch. Er versuchte zu erraten, wie weit sie entfernt waren. Ihre Stimmen drangen aus einer Kammer dreißig, vielleicht auch vierzig oder mehr Schritte entfernt. Wieder schlich ein Krieger leise über den Gang. Eine weitere – die vorletzte – Fackel erlosch. Der Gang war jetzt nur noch in schwaches Zwielicht getaucht. Kemaq begriff, dass sie ihren Hinterhalt vorbereiteten. Einer der Krieger schob Kemaq zur Seite und schlug vorsichtig den Vorhang zurück. Er nahm nicht viel mehr als den Umriss des Mannes wahr. Dann berührte ihn der Streitkolben des Kriegers am Arm. Kemaq erschrak, als er das kalte
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