Drachensturm
schüttelte ängstlich den Kopf, als Jatunaq ihn aufforderte zu tauchen. Plötzlich drückten ihn seine Begleiter unter Wasser. Ein erstickter Aufschrei erklang, dann tauchte er auch schon, wild mit den Armen rudernd, auf der anderen Seite des Gatters wieder auf. Jemand hielt ihm den Mund zu. Sie lauschten, aber kein Warnruf tönte von der Mauer, niemand schien den Chaski gehört zu haben. Es war zu dunkel, um in Jatunaqs Gesicht zu lesen, aber Kemaq spürte auch so, wie wütend sein Bruder war. Er seufzte. Jetzt war es zu spät, den Mann fortzuschicken. Er holte tief Luft und tauchte hinüber.
In der Kammer waren schon die meisten Ritter versammelt, und die ausgesandten Späher lieferten ihre Berichte ab. Mila hörte zu. Es war eigentlich immer das Gleiche: Es gab entlang der Küste viele Siedlungen, kleinere und größere, und überall löste das Auftauchen der Drachen Angst und Entsetzen aus. » Ich glaube daher nicht, dass einer dieser Menschen je zuvor einen Drachen gesehen hat«, schloss Robert de Lanois seinen Bericht.
» Und doch finden wir Bilder von Drachen auf ihren Tempeln«, erwiderte der Hochmeister nachdenklich.
Balian von Wolfegg kam in die Kammer gestampft. » Ich habe keine Spur des Feindes gesehen«, verkündete er dröhnend.
» Dann seid vielleicht so gütig, mit Eurem Bericht zu warten, bis diejenigen, die etwas gesehen haben, ihren Bericht beendet haben, Balian«, wies ihn Marschall di Collalto zurecht. Eine eisige Stille legte sich über die Versammlung. Mila erwartete eigentlich, dass der Tressler Partei zu Gunsten seines Verwandten ergreifen würde, aber Graf Tassilo schwieg.
De Lanois setzte seinen Bericht fort: » Ich bin mit Umun-Schas in einige der Seitentäler geflogen, aber im Grunde ist es überall das Gleiche. Keine Spur von Widerstand, und wenn ich Orte mit Mauern sah, so waren diese Mauern kaum besetzt.«
» Ich war noch weiter im Süden als Ihr, de Lanois, aber ich fand wirklich keine Spur von einem feindlichen Heer«, unterbrach ihn der Graf von Wolfegg noch einmal.
» Wart Ihr auch im Osten?«, fragte der Marschall jetzt. Sein ironischer Unterton entging dem Ritter wohl, denn Mila hörte seine Rüstung rasseln, als er den massigen Kopf schüttelte und fragte: » Im Osten? Niemand von uns kann dorthin, denn diese Berge sind einfach zu hoch.«
» So ist es, Graf Balian, die Berge sind zu hoch. Die Indios könnten dort oben hunderttausend Krieger zusammenrufen, und wir würden es erst merken, wenn sie die Berge herabkommen.«
» Wenn dort oben überhaupt jemand lebt«, rief der Ritter ungehalten.
» Nun, das herauszufinden, wird unsere nächste Aufgabe sein«, erklärte der Hochmeister. Mila räusperte sich.
» Hat unsere neue Ritterschwester etwas dazu zu sagen?«, fragte di Collalto freundlich.
» Ich bin mit Nabu ebenfalls in einige der Seitentäler geflogen. Ich kann nicht sagen, ob dort oben viele Menschen leben, aber Nabu und auch Dietmar sahen Pfade, die sich dort emporwinden. Und wo es Wege gibt, gibt es auch Menschen. Und einmal, nordöstlich von hier, entdeckten wir leichten Rauch hinter einem Bergrücken. Nabu meint, er stamme aus vielen Hütten.«
» Ich danke Euch, Comtesse, dies bestätigt nur unsere bisherigen Vermutungen, auch wenn vielleicht nicht alle diese Vermutungen teilten«, sagte di Collalto und klang jetzt ausgesprochen spöttisch.
» Es stand nie außer Frage, dass auch die Täler in den Bergen bewohnt sein müssen«, meldete sich der Tressler jetzt zu Wort, » aber die Beobachtung unserer neuen Ritterschwester oder vielmehr die ihres Drachen« – er schaffte es, diese Einschränkung unsagbar abfällig klingen zu lassen – » sagen noch nichts darüber aus, wie viele Menschen dort leben, und ob es dort große Städte oder nur Dörfer gibt. Und schon gar nicht verrät sie uns etwas über die Stärke des Feindes.«
Mila fragte sich, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Hatte sie nicht gerade vom Rauch vieler Hütten berichtet?
» Dann sollten wir das Thema vertagen, bis wir mehr wissen«, beendete der Hochmeister den Disput. » Mir wäre daran gelegen, zu hören, was es aus der Stadt zu berichten gibt. Don Gómez?«
Der angesprochene Ritter räusperte sich. Mila kannte den Katalanen als einen schwer durchschaubaren Menschen, der keine zwei Worte verwendete, wo eines genügte, und der dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, als Sprecher des Jungen Zweiges innerhalb des Ordens anerkannt war. Er führte keinen offiziellen Titel, aber
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