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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Mila wusste, dass er auch außerhalb des Ordens über großen Einfluss verfügte.
    » Es ist ruhig in der Stadt«, sagte der Katalane. » Die Indios lassen sich nicht sehen. Sie versuchen auch nicht mehr, die Stadt zu verlassen. Das ist auch gut so, denn die Drachen waren nicht sehr glücklich darüber, dass sie die Leute von ihren Feldern und Fischerbooten fernhalten mussten.«
    » Ich danke Euch, Don Gómez. Wenn erst die Spanier hier sind, werden wir sie gar nicht mehr als Wächter einsetzen müssen.«
    Mila hörte am Rasseln der Rüstung, dass der Ritter sich knapp verneigte, um sein Einverständnis auszudrücken.
    » Gibt es denn Neues von der Flotte?«, fragte Robert de Lanois.
    » Wir warten noch auf die Rückkehr von Don Mancebo und Ianus«, erklärte der Hochmeister.
    » Wenn Pizarro nicht bald kommt, werden wir in Schwierigkeiten geraten«, sagte der Tressler düster.
    » Mir scheint, dass der Wind auf dem Meer in eine günstige Richtung gedreht hat«, sagte de Lanois, » und ich verstehe nicht, was sie so lange aufhält. Man könnte meinen, Pizarro habe es sich anders überlegt und kehrtgemacht.«
    » Ihr redet Unsinn, Lanois, und das wisst Ihr!«, wies ihn der Tressler scharf zurecht.
    » So? Wisst Ihr, was im Kopf dieses Mannes und in denen seiner Brüder vorgeht, Graf Tassilo?«, entgegnete der Flame mit deutlicher Verärgerung. » Erst fallen sie in dieses Land ein und wollen nicht, dass ihnen jemand auf die Finger schaut, dann kommen sie nicht mehr voran und bitten uns um Hilfe. Kaum sind wir bei ihnen, und die größte Gefahr ist gebannt, wollen sie uns wieder loswerden. Nein, Graf Tassilo, diese Männer haben ihre eigenen Pläne, und ich würde mich nicht wundern, wenn wir erführen, dass sie geradewegs zurück nach Spanien gesegelt sind.«
    Der Tressler widersprach scharf, und es entspann sich ein hitziger Streit. Mila hörte zu. Sie hatte sich bislang nie für die Politik des Ordens interessiert, aber jetzt war sie selbst eine Ritterschwester, und sie spürte, wie jedes der hin- und herfliegenden Worte und Widerworte etwas über die Männer und ihre Beziehungen zueinander verriet. Sie erkannte, dass sich ein tiefer Riss durch den Orden zog. Ein Spalt mit vielen feinen Verästelungen, die bis hinab ins Fundament reichten. Überall spürte sie plötzlich Uneinigkeit und Rivalität. Sie verstand jetzt, warum ihr Großonkel so müde wirkte. Er versuchte, gegen diesen Riss anzukämpfen, den Orden zusammenzuhalten. Sie beschloss, ihm dabei zu helfen, so gut sie es vermochte, und dazu musste sie verstehen, wer hier warum gegen wen stand. Der vielstimmige Streit ebbte plötzlich ab. Ein weiterer Ritter hatte die große Kammer betreten. Mila erkannte ihn an seinem Gang. Es war Don Mancebo, und er brachte Neuigkeiten.
    Der Palast ragte vor ihnen aus der Dunkelheit auf. Sie hatten den großen Platz in weitem Bogen umgangen und sich durch das Gewirr der Gassen auf die Nordseite des Gebäudes geschlichen. Auf den Mauern sahen sie die Fackeln der Wächter, und vor dem Palast brannte ein Feuer, aber hier war es dunkel, und nur die Sterne gaben ein wenig Licht. Kemaq deutete auf das Fenster, wo er die Frau mit der Borla gesehen hatte. Jatunaq nickte, dann zogen sie sich tiefer in die Schatten zurück.
    » Durch den Eingang kommen wir nicht hinein, nicht unbemerkt«, stellte der Krieger leise fest.
    » Es sind zu viele für einen offenen Kampf, und denk an ihre Waffen«, flüsterte Kemaq.
    » Über die Außenwand«, sagte der Chimú plötzlich.
    » Wir sind keine Eidechsen«, knurrte Jatunaq.
    » Aber diese Paläste sind reich geschmückt. Sie haben Verzierungen, die ein guter Kletterer leicht nutzen kann, um hineinzukommen«, raunte der Chaski.
    Widerwillig gab Kemaq dem Mann Recht: » Es stimmt«, flüsterte er, » ich selbst bin den Tempel des Mondes hinaufgeklettert, und ich erinnere mich, auch an diesem Palast viel Schmuck gesehen zu haben.«
    » Ich sehe in der Dunkelheit nichts dergleichen«, entgegnete Jatunaq, » doch werden wir feststellen, ob mich meine Augen oder euch eure Erinnerungen trügen.«
    Sie huschten zur nächsten Ecke. Schwarz und mächtig lag der große Bau vor ihnen. Unter dem Gesang der Zikaden vermeinte Kemaq Stimmen zu hören, aber er war sich nicht sicher. Sie spähten nach beiden Seiten. Es war niemand da. Gerade als Kemaq loslaufen wollte, hielt sein Bruder ihn an der Schulter zurück. Stumm wies er nach oben. Vor dem Sternenlicht zeichnete sich eine Bewegung auf dem Dach ab. Es sah

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