Drachensturm
verließ, sonst wäre ihr sicher nicht entgangen, dass sie nur wenige Schritte weiter erwartet wurde.
» Auf ein Wort, Comtesse«, sagte eine leise Stimme, und jemand trat aus einer der Kammern in den Gang hinaus.
Mila zuckte zusammen. » Konrad!«, rief sie.
» Ich hoffe, ich habe Euch nicht erschreckt, Comtesse?«, fragte der Schildknappe mit spöttischer Besorgnis.
» Keineswegs«, behauptete Mila, die sich fragte, was er von ihr wollte. Er benutzte immerhin ihren Titel, das hatte er zuvor noch nie getan. Einige Dinge hatten sich durch den Ritterschlag also doch geändert.
» Ich bedenke manchmal nicht, dass Ihr das Offensichtliche nicht sehen könnt, Comtesse«, erklärte Konrad herablassend, aber Mila war sich sicher, dass er sie mit Absicht erschreckt hatte.
» Offensichtlich? Ihr wart doch hinter dem Vorhang dieser Kammer versteckt«, erwiderte sie verärgert.
» Nur, dass diese Kammer gar keinen Vorhang hat, was Ihr wüsstet, wenn Euch die Krankheit nicht den wichtigsten aller Sinne geraubt hätte«, sagte Konrad leichthin.
Mila war klar, dass er die Situation genoss. Dass ein Vorhang vor der Kammer hing, hatte sie geraten, aber eigentlich war sie beinahe sicher, dass es dort einen gab. Sollte sie das überprüfen? Nein, sie wollte sich nicht auf seine seltsamen Spielchen einlassen. » Was wollt Ihr eigentlich von mir, Konrad?«
» Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch zu Eurer Erhebung zu gratulieren, Comtesse.«
» Danke«, erwiderte sie steif.
» Und ich wollte Euch meine Besorgnis mitteilen«, fuhr er fort.
» Um mich braucht Ihr Euch nicht zu sorgen, Konrad«, entgegnete Mila knapp.
» Aber ich mache mir Sorgen, Comtesse. Um Euch, aber auch um den Orden.«
» Dann habt Ihr es bisher meisterhaft verstanden, das zu verbergen«, erwiderte sie bissig.
» Aber so ist es! Ihr seid krank, Milena, der Drachenfluch. Glaubt Ihr denn, es tut Eurer Krankheit gut, wenn Ihr Euch nun noch mehr mit den Drachen abgebt, mehr Zeit mit ihnen verbringt? Falls Ihr wirklich keine Angst habt, dass es schlimmer werden könnte – nun, ich habe diese Sorge schon.«
» Eure Sorge rührt mich«, erwiderte Mila bissig.
» Und ich sehe doch auch, wie der Hochmeister sich plagt, wie er alles tut, um den Orden zusammenzuhalten. Und wie viel größer ist seine Last nun geworden, da er sich auch ständig um Euch sorgen muss, weil Ihr Euch in den Kopf gesetzt habt, auf dem Rücken einer riesigen Bestie durch die Lüfte zu ziehen. Und was werden die Spanier erst dazu sagen? Auslachen werden sie uns!«
Mila zuckte innerlich zusammen. Sie wollte ihrem Großonkel auf keinen Fall zur Last fallen. Natürlich machte er sich Gedanken, aber sie würde schon zeigen, dass das nicht nötig war. » Ihr bezeichnet unsere Drachen als Bestien, Konrad? Lasst sie das nur nicht hören«, gab sie also mit gespielter Selbstsicherheit zurück.
» Ihr wisst sehr wohl, was ich meine, Comtesse. Der Orden hätte einen Ritter gebraucht, keine Blinde, die nur mit Hilfe eines Krückstockes ihren Weg findet.«
Mila hatte nicht vergessen, dass es einer von Konrads liebsten Späßen war, ihren langen Stab zu » verstecken«, wozu er nicht mehr tun musste, als ihn einen halben Schritt von dem Platz zu entfernen, an dem sie ihn abgestellt hatte. Er war dabei oft in der Nähe geblieben, so leise, dass sie ihn nicht hören konnte, und hatte sich an ihrer Hilflosigkeit geweidet. » Wählt Eure Worte mit Bedacht, Konrad, denn sonst werdet Ihr herausfinden, dass dieser Stock alles andere als ein Krücke ist«, fuhr sie ihn an.
Konrad erwiderte leise: » Ich verstehe, dass Ihr mir misstraut, weil ich Euch in der Vergangenheit den ein oder anderen kleinen Streich gespielt habe. Und ich nehme an, Ihr habt Euren Sieg heute sehr genossen. Es ist schade, dass Ihr die Gesichter der Ritter nicht sehen konntet. Das Entsetzen bei meinem Onkel Tassilo, die Wut in den Zügen meines Bruders. Ihr habt Euren seltsamen Triumph sicher ausgekostet, weiß ich doch, dass Ihr meine Familie verachtet.«
» Aber das ist nicht wahr!«, rief Mila. Sie mochte die Männer zwar nicht besonders, aber Verachtung war doch noch einmal etwas ganz anderes. » Und ich habe doch auch gar nichts dazu getan, es war ganz allein die Entscheidung des Drachen.«
» Ist das so, Comtesse? So hat Euer Freund, der Marschall, ihn nicht heimlich an seine Rechte erinnert, Euch zuliebe?«
Mila war über diese Unterstellung so verblüfft, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
» Ah, es stimmt
Weitere Kostenlose Bücher