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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Drachen hatte gebrüllt und Feuer gespien, und jetzt dröhnte das Gebrüll anderer Götter über der Stadt. Kemaq rannte, völlig kopflos. Er wusste, er konnte nicht entkommen, nicht, solange er innerhalb der Festung war. Er musste hinaus, aber er hatte im Augenblick nicht die geringste Ahnung, wo er eigentlich war. Von überallher schienen jetzt Männer durch die engen Straßen zu kommen, Männer, die ihn töten wollten. Er sah den Feuerschein ihrer Fackeln, schlug Haken auf Haken und irrte durch dunkle Gassen und Nebengassen. Über sich hörte er die schweren Flügelschläge der Götter. Er bog um eine weitere Ecke – und fand sich plötzlich in einer Sackgasse wieder. Auf beiden Seiten lockten die offenen Eingänge verlassener Lagerhäuser. Er rannte bis zum Ende der Gasse und durch den Eingang des letzten Hauses in die schützende Finsternis. Mit klopfendem Herzen drückte er sich an die Mauer und lauschte.
    Erneut zog schwerer Flügelschlag draußen über die Mauern. Einmal vermeinte er, in der Ferne einen der Ankay Yayakuna Feuer speien zu hören. Dann wieder die wütenden Rufe der Fremden, die die Festung durchsuchten. Wo war Jatunaq? Er war zurückgeblieben, um ihn zu retten. Hatte er noch fliehen können? Eine innere Stimme sagte ihm, dass sein Bruder nicht der Mann war, der davonrannte, aber er wollte es nicht wahrhaben. Wo waren die anderen? Waren sie entkommen? Und vor allem, wo war er selbst? Er musste aus dieser Festung heraus – oder ein sicheres Versteck finden. Der Mondtempel? Nein, wie sollte er da ungesehen hineinkommen?
    Er blickte auf, und ein einzelner Stern blinkte durch das alte Schilfdach. Er sah, dass diesem Lagerraum ein Teil des Daches fehlte. Er spähte wieder in den sternenübersäten Himmel. Ein Schatten zog vorüber, und Kemaq zuckte zurück. Dann hörte er die Stimmen der Fremden. Sie klangen zornig, und sie schienen näher zu kommen. Waren sie etwa schon in der Gasse? Etwas wurde dort draußen zerbrochen, und flackernder Lichtschein fiel durch die Tür des Lagerhauses. Kemaq fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Tier. Er kletterte die Lehmwand hinauf auf das brüchige Dach. Über ihm kreisten Schatten. Er konnte nur hoffen, dass sie ihn nicht entdeckten. Die Schilfbündel unter ihm knarrten besorgniserregend. Er tastete sich zum Rand und ließ sich schließlich auf der Rückseite des Lagerhauses hinabfallen. Wo war er nun? Tür- und fensterlose Mauern schirmten einen Platz auf allen Seiten ab, nur ihm gegenüber zeigte sich ein schmaler Gang, und vor ihm öffnete sich eine große viereckige Grube. Kemaq schlich zum Rand. War das ein alter Brunnen? Nicht ein Hauch von Feuchtigkeit war zu spüren. Er musste trockengefallen sein. Aber wie tief war er? Er brach ein Stück Lehm aus der gemauerten Umfassung und ließ es hinabfallen. Besonders tief war es nicht. Aber wenn er dort hineinsprang, würde er dann je wieder herauskommen? Etwas zischte aus der Grube. Kemaq erstarrte. Wieder zischte es. Das war keine Schlange oder ein Tier – es war ein Mensch!
    » So komm doch herunter, bevor sie dich sehen«, flüsterte es leise. Kemaq zögerte. Dann hörte er, wie auf der anderen Seite der Mauer die Fremden in sein vorheriges Versteck eindrangen. Licht flackerte hinter der Mauer auf, und gar nicht weit entfernt brüllte ein Gott. Kemaq schob sich über die gemauerte Umfassung und ließ sich in die Dunkelheit fallen.
    » Ich hätte schon früher auf diesen Einfall kommen sollen, Mila, und ich dulde keine weitere Widerrede.«
    » Aber vielleicht war ich nur ein zufälliges Opfer, Onkel.«
    » Ritter Balian und Fray Celso befragen die Gefangenen. Ich denke aber, sie werden erfahren, dass es alles andere als ein Zufall war.«
    Mila seufzte resigniert. Sie hörte die Männer, die die ganze Stadt nach den geflohenen Angreifern durchkämmten, und die Drachen, die über ihnen kreisten. Es erschien ihr immer noch unwirklich, dass all das ihretwegen geschah. Ein Ritter näherte sich – er lief schnell, so, wie sie alle plötzlich viel schneller liefen als sonst. Nur Mila saß mit ihrem Onkel in dieser Kammer und war zum Nichtstun verdammt. Wenn er sie wenigstens die feindlichen Krieger befragen lassen würde! Und jetzt hatte ihr Onkel noch die Idee, ihr eine Leibwache zu geben! Don Gómez, der Katalane, kam mit schnellen Schritten in die Kammer.
    » Habt Ihr sie?«, fragte der Hochmeister.
    » Marduk hat zwei von ihnen mit seinem Feueratem getötet. Ich habe die Leichen gesehen. Drei weitere

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