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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Schultern der Krieger, die ihr auflauerten. Am Ende des Ganges stand sie, er konnte sie nur halb sehen, aber ihr Haar schimmerte selbst bei dem schwachen Licht der letzten Fackeln noch golden, und die weiße Borla leuchtete beinahe. Inti wird Gefallen an diesem Opfer finden, dachte er und biss sich auf die Lippen. Vieles in ihm sträubte sich gegen diesen Gedanken. Die Fremde stand im Gang und schien dem anderen hinterherzusehen. Die beiden Krieger, die mit ihm in der Kammer warteten, wurden unruhig. Sie hielten die schweren Kampfkeulen aus Bronze in der Faust und schienen schon zu überlegen, ob sie nicht einfach hinausspringen und die Fremde dort, wo sie war, überwältigen sollten. Kemaq dachte nach. Er wollte nicht, dass ihr etwas geschah, aber es war auch unerträglich, dass jetzt gar nichts geschah. Sie bewegte sich einfach nicht. Doch dann schüttelte sie den Kopf und setzte sich in Bewegung. Ihren langen weißen Stab ließ sie dabei über den Boden gleiten. Kemaq konnte nur den halben Gang sehen. Er sah das Ende des Stabes auftauchen, verschwinden und wieder auftauchen. Er starrte ungläubig hinaus auf die wandernde Spitze. Er begriff seinen Irrtum. Sie war blind! Die Krieger vor ihm duckten sich zum Sprung.
    Mila schritt den Gang entlang. Sie würde mit Don Mancebo über diese Unterhaltung sprechen, denn zu ihm hatte sie in den vergangenen Tagen Vertrauen gefasst, vielleicht, weil er ein Außenseiter war, so wie sie. Hatte Konrad ihr wirklich gedroht? War er so plump und ungeschickt, dass er sie auf diese Art aus dem Orden drängen wollte? Das sah ihm gar nicht ähnlich. Sie würde ihm diesen Gefallen bestimmt nicht tun. Jetzt aber würde sie endlich mit Nabu reden, denn auch da gab es einiges zu klären. Der mochte jedoch sonst wo stecken. Dietmar würde es wissen, er hatte ihn schließlich abgeschirrt. Also würde sie zunächst in ihr Quartier zurückkehren und den treuen Diener fragen. Eins nach dem anderen, dachte sie und ließ ihren Stab über den Boden gleiten. Etwas stimmte nicht, das sagten ihr ihre Sinne, aber sie war zu verärgert, um gleich darauf zu hören. Dann blieb sie doch stehen. Es war zu ruhig. Etwas fehlte, aber was? Dann wusste sie es: Sie hörte nur das Flackern einer einzigen Fackel im langen Gang, und es roch verbrannt, als wären die anderen Fackeln gerade erst ausgegangen. Und dann war da noch etwas anderes in der Dunkelheit der Kammern – eine lauernde Feindseligkeit. War das nur Einbildung? Sie zögerte, lauschte, aber es blieb still. Doch da war auch ein fremder Geruch – und atmete dort nicht jemand in der Kammer? Sie fasste ihren Stab mit zitternden Händen in der Mitte, wie sie es gelernt hatte, und suchte mit nervösen Fingern nach dem Mechanismus, der die Klingen aus den Enden des Stabes springen lassen würde.
    Kemaq hielt die Erregung fast nicht mehr aus, und er fragte sich, ob es den Kriegern ebenso erging. Die Fremde war näher gekommen, aber dann war sie stehen geblieben, den Kopf leicht vorgebeugt, und lauschte in das Dunkel des Ganges. Jetzt nahm sie ihren Stab quer, fast wie einen Kampfstock. Kemaq konnte nichts Genaueres erkennen, denn es war zu dunkel, und die Krieger versperrten ihm die Sicht. Ein metallisches Klicken ertönte.
    » Jetzt!«, rief Jatunaq aus der Kammer gegenüber. Die schweren Vorhänge flogen zur Seite, und die Krieger stürmten in den Gang. Die Fremde wich einen Schritt zurück und schlug mit einer schnellen Bewegung ihres Stabes die letzte Fackel aus ihrer Halterung, so dass sie zu Boden flog und verglomm. Es war beinahe sofort stockdunkel. Kemaq war im Türsturz stehen geblieben. Er war ein Läufer, kein Krieger. Er sah die Fackel verglimmen, viel mehr konnte er nicht erkennen. Er hörte einen dumpfen Schlag und ein tiefes Stöhnen, dann noch einmal. Schwarze Schemen kämpften in der Dunkelheit, und einer von ihnen wich zurück, wich den wuchtigen Schlägen aus, die Kemaq durch die Luft sausen hörte, und schien seinerseits zuzuschlagen. Ein heller Schrei fuhr ihm bis ins Mark. Der kam von der Fremden, aber noch indem Augenblick, da sie schrie, begriff er, dass sie nicht getroffen oder gar verwundet war, sondern dass sie Hilfe herbeirief. Er hörte wieder ein schweres Stöhnen und glaubte, einen der dunklen Schemen zu Boden taumeln zu sehen. Plötzlich war im ganzen Palast Aufruhr. Männer brüllten, und schwere Schritte stampften durch die Gänge heran. » Jatunaq, zurück«, rief Kemaq verzweifelt. Wieder ertönte ein lauter Schrei, und

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