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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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dann rannte ihn jemand über den Haufen. Ein zweiter Mann folgte. Eine Hand packte ihn am Arm und zog ihn auf die Füße.
    » Lauf, kleiner Bruder«, raunte eine vertraute Stimme.
    Kemaq blickte zurück in die Finsternis. Die Fackel war nun ganz erloschen, aber er konnte den keuchenden Atem der Fremden und das Stöhnen der Männer hören, die sie besiegt hatte. Dann zog ihn jemand am Arm zum Fenster.
    » Ich halte sie auf«, rief Jatunaq, und ehe es sich Kemaq versah, fand er sich auf den Sims des Fensters geschoben. Die Gasse lag leer und verlassen unter ihm. Er sprang in die Dunkelheit. Als er hart auf dem Boden landete, hörte er ein zorniges Knurren, und ihm fiel mit Schrecken ein, dass dort oben auf dem Dach ein Gott über den Palast gewacht hatte.
    Mila stand im Gang, den Stab noch in der Hand. Sie hörte Männer stöhnen, hörte schwere Stiefel heranstürmen und ihren Großonkel, der mit donnernder Stimme Befehle gab, während draußen die Drachen brüllten. Aber in ihr herrschte eine seltsame Ruhe und Stille. Das war der erste Kampf, den sie hatte bestehen müssen. Natürlich, ihr Vater hatte nach langem Betteln dafür gesorgt, dass sie den Fechtunterricht bekam, den sie schon als Kind gefordert hatte, und sie hatte viele Runden mit den Meistern Erhardt und Rüdiger im Schlosshof gekämpft, aber noch nie hatte sie ihre Waffe in tödlichem Ernst benutzen müssen. Sie hörte das Gebrüll der Ritter, die Tritte, mit denen Waffenknechte die Verwundeten malträtierten, hörte, wie sie die Indios anschrien, und ihr war bewusst, wie sinnlos das war, weil diese Männer einfach nicht verstanden, was die Soldaten brüllten. Dieser Gedanke hatte etwas Komisches. Sie hätte beinahe angefangen zu lachen, aber sie riss sich zusammen. » Nein, mir ist wirklich nichts geschehen«, sagte sie zum wiederholten Male.
    » Aber da ist Blut auf Eurer Wange«, sagte Don Mancebo, sie spürte die Berührung seiner Hand. Dann hörte sie seine Erleichterung: » Dem Himmel sei Dank, es ist nicht Euer Blut.«
    Sie bekam nur am Rande mit, dass der Marschall Befehle rief und die Männer bereits dabei waren, den Palast zu durchsuchen. Dann schrien plötzlich ganz in der Nähe Männer, wohl in einer der Kammern, und kurz darauf verkündete jemand, dass ein weiterer Indio überwältigt worden war.
    Mila fragte sich, was hier eigentlich vorging. Das alles schien mit ihr zu tun zu haben, aber sie begriff es nicht. Es war, als hätte jemand anders eben an ihrer Stelle gestanden und mit tausendfach geübten Ausweichmanövern gekämpft – und gewonnen. Sie spürte ein Zittern in den Armen. Sie hatte ihre Gegner natürlich nicht gesehen, aber sie gehört, gerochen, ihre Hände gespürt, die nach ihr gegriffen hatten. Schwere Waffen waren zu Boden gepoltert, aber sie konnte sich nicht erinnern, dass einer der Krieger versucht hätte, sie damit anzugreifen. Sie stellte eine Frage, so leise, dass sie sie selbst kaum hörte, und wiederholte sie dann: » Habe ich sie getötet?«, fragte sie. Eigentlich wusste sie, dass sie die Indios nicht getötet hatte, aber sie wollte es von jemand anderem hören, da sie ihren eigenen Sinnen plötzlich nicht mehr traute.
    » Nein, Ihr habt sie nur verletzt, Condesa«, beruhigte sie Don Mancebo.
    » Und sie werden auch nicht an ihren Wunden sterben, obwohl sie es verdient hätten«, fügte Sir William kühl hinzu.
    » Verdient?«, fragte Mila verwundert.
    » Dein Stab, du solltest ihn Dietmar geben, damit er ihn reinigt«, sagte ihr Großonkel ernst.
    Mila runzelte die Stirn. Reinigen? Wovon? Automatisch betastete sie den Stab in der Mitte und drehte am Ring, der den ausgeklügelten Mechanismus auslöste, ein Werk der berühmten Schmiede Missaglia aus Mailand. Mit scharfem Klacken verschwand die Klinge wieder im Stab. Dann sprang sie wieder heraus, weil ihre zitternden Finger den Mechanismus versehentlich ein zweites Mal betätigt hatten.
    » Vorsicht, achte bitte darauf, dass du niemanden von uns verletzt«, sagte der Hochmeister und legte ihr eine Hand auf den Arm. Die Berührung war wohltuend.
    Dann brüllte Marduk draußen so laut und so nah, dass sie zusammenfuhr, und sie hörte, dass er seinen Feueratem losließ. Sie spürte die Hitze seiner Flamme sogar noch durch die Mauern hindurch.
    Kemaq rannte um sein Leben. Der Gott hatte sich vom Dach erhoben und war auf sie herabgestoßen. Einer der Krieger hatte » Auseinander!« gebrüllt, und dann waren sie in verschiedene Richtungen davongerannt wie die Hasen. Der

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