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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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noch kleiner machen zu wollen. Er zitterte, und das ließ die alten Halme leise rascheln. Kemaq legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm, aber das Zittern hörte nicht auf. Dass er unter all den Männern auch ausgerechnet auf diesen getroffen war! Schritte näherten sich. Die Fremden hatten die schmale Gasse entdeckt! Licht fiel über den Rand des Brunnens. Kemaq erstarrte, aber Chumun hörte nicht auf zu zittern, und das Schilf zitterte und raschelte leise mit. Oben wurde gesprochen. Es waren drei Männer, die sich unterhielten. Sie klangen zornig und schienen sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Vielleicht waren sie es auch nur leid, die Eindringlinge zu suchen. Durch die Schilfbündel sah Kemaq den Kopf eines der Fremden über dem Rand des Brunnens auftauchen, er hielt die Fackel über das Loch und spähte aufmerksam hinunter.
    Endlich hatte der Hochmeister doch erlaubt, dass Mila die große Kammer verließ, allerdings erst, als mit Ruiz und Felipe ihre Leibgarde eingetroffen war. Die Stimmen der beiden Männer klangen jung, und das war immerhin ein Trost. Sie waren beide aus Guadalajara, der Provinz, der auch Don Rodrigo de Henares entstammt hatte.
    » Er trug seinen Namen nach dem Fluss, der unsere Felder mit Wasser versorgt, Condesa«, erklärte Felipe, der offenbar der Sprecher der beiden war, » und wir beide wuchsen im Schatten seiner Burg auf. Als er uns anbot, mit ihm in die Neue Welt zu kommen, zögerten wir nicht, denn wir waren nur Hirten, und jetzt sind wir Männer mit Waffen.«
    » Ich hoffe, ihr könnt auch damit umgehen«, sagte Mila, die sich sofort danach am liebsten auf die Zunge gebissen hätte, denn das war ziemlich unhöflich.
    » Natürlich, Condesa, wir hatten reichlich Zeit zu üben, und Don Rodrigo selbst hat uns unterwiesen«, entgegnete Felipe gutmütig.
    Sie fragte ihn, ob er wisse, wo sich Nabu aufzuhalten pflegte, wenn er nicht in der Luft war.
    » Genau kann ich es Euch nicht sagen, Condesa, denn wie Ihr wisst, starb Don Rodrigo schon in der ersten Nacht, die wir hier verbracht haben, und Nabu hatte mit ihm keinen Ruheplatz vereinbart. Ich habe ihn im Schatten des Palastes gesehen, aber auch oben auf dem großen Tempel. Vielleicht ruft Ihr ihn einfach, wenn Ihr auf dem Platz seid. Dann wird er schon kommen, Condesa.«
    Mila schalt sich, weil sie nicht selbst auf diesen naheliegenden Gedanken gekommen war. Die beiden Männer folgten ihr hinaus. Sie lauschte auf die Geräusche der Nacht. Die Zikaden waren verstummt, vielleicht verstört von dem Lärm, den die Waffenknechte und die Drachen vollführten. Dafür hörte sie die Schreie der Möwen, die aus ihren Nestern aufgeschreckt worden waren. Mila musste sich eingestehen, dass sie nicht hören konnte, wie viele Drachen über der Festung kreisten. Also fragte sie Felipe.
    » Es gibt wenig Licht, aber ich glaube, ich sehe dort oben vier, vielleicht fünf unserer Drachen unter den Sternen. Auf den Mauern sind auch welche, und Marduk sitzt oben auf dem Palast.«
    » Gibt es, gibt es … einen bestimmten Ruf, auf den Nabu hört?«, fragte sie, ziemlich verlegen, weil sie es selbst nicht wusste.
    » Sein Name, Condesa. Er hört auf seinen Namen«, lautete Felipes schlichte Antwort. Sie fragte sich, ob sein freundlicher Ton nur den Spott über ihre Dummheit verstecken sollte. Wenn sie Felipe gewesen wäre, dann hätte sie sich auf jeden Fall über die Fragestellerin lustig gemacht.
    » Nabu!«, rief sie in die Nacht. » Al-Nabu von Medina!«
    Sie musste nur ein kleines Weilchen warten, dann hörte sie den Flügelschlag des Drachen, der aus dem Himmel herabkam und mit leichter Eleganz wenige Schritte vor ihr landete.
    » Ich bin froh, dich unverletzt zu sehen«, rief er.
    » Ich bin eben nicht so hilflos, wie alle denken, Nabu«, gab sie knapp zurück. Er hatte sich zuvor nicht bei ihr gemeldet, hatte sie nicht gefragt, was ihr widerfahren war, und das, so gestand sie sich ein, nahm sie ihm übel.
    » Ich habe es gehört«, lautete die einsilbige Antwort des Drachen.
    Mila hatte viele Fragen, doch die konnte sie nicht im Beisein ihrer Leibwächter stellen. » Du bist nicht im Geschirr, wenn ich mich nicht irre. Aber wenn es dir recht ist, würde ich dich bitten, mich eine Weile zu tragen.«
    » Jetzt, Prinzessin?«, fragte der Drache und klang überrascht.
    » Falls du dir um meine Sicherheit Sorgen machst, Nabu, so denke ich, dass ich doch hoch über der Stadt am sichersten bin, oder?«
    Nabu schien nicht überzeugt, aber Mila war

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