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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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Feigling.«
    Jakob schlug mit der Hand auf den Tisch und stand auf. »Die Unterredung ist beendet«, sagte er mit eisiger Stimme.
    »Nein, ist sie nicht«, mischte Emilia sich ein. »Setze dich wieder hin Jakob. Streit bringt uns nicht weiter.«
    Jakob holte tief Luft und setzte sich. Er vermied es, Bodo anzusehen.
    »Lasst uns noch mal in Ruhe alles bedenken«, fuhr Emilia fort. »Tumaros ist in seine Höhle zurückgeflogen. Was kann ihn gerufen haben?«
    »Vielleicht hat Rosa auch versucht zu fliehen?«, überlegte Bodo.
    »Wenn sie dazu noch in der Lage ist«, sagte Jakob. »Wir wissen nicht, in welchem Zustand sie ist.«
    »Das stimmt leider«, sagte Emilia. »Und wenn sie flieht, dann nur in allerhöchster Not. Überlegt mal, was sie gesagt hat. Er tötet das ganze Dorf, wenn sie weggeht. Ich glaube nicht, dass sie unser aller Leben aufs Spiel setzen würde.«
    »Aber Bernhard hat es getan«, antwortete Jakob trocken.
    »Jakob, er ist noch ein Kind«, sagten Emilia und Bodo wie aus einem Mund.
    »Ich weiß.« Jakob blickte auf den Boden. »Wenn man gegen einen Drachen kämpft, kann man nur Fehler machen.«
    »Vergiss nicht, dass es der Drache ist, der das Unglück bringt und nicht unsere Fehler.« Emilia schaute Jakob an. Sein Herz begann zu rasen. Er schaute auf Emilias Hände, wollte sie berühren, aber er wagte es nicht.
    Bodo sah die beiden und fühlte, dass es Zeit war, zu gehen. »Ich weiß nicht, wie es euch geht«, sagte er und stand auf. »Ich muss nachdenken, für mich alleine. Können wir uns morgen wieder treffen? Ich meine, falls es uns morgen noch gibt. Manchmal passiert ein Wunder über Nacht. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.«
    Jakob nickte. »Ja, du hast recht. Morgen treffen wir uns, dann werden Entscheidungen gefällt, seien es nun gute oder schlechte.«
    Bodo ging zur Tür und verließ ohne ein weiteres Wort die Hütte. Sein Entschluss stand fest.
    Emilia hielt ihre Kaffeetasse in den Händen, damit man das Zittern nicht sah. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie befürchtete, dass Jakob es bemerkte.
    »Emilia?«
    »Ja?«
    »Ich ...«
    »Ja?« Emilia sah Jakob an. Der Schmerz sprengte beinahe ihr Herz.
    »Es ist schön, wenn du da bist, Emilia. Ich habe dich vermisst.«
    »Ich war hier, Jakob.«
    »Ich weiß.« Jakob senkte den Blick.
    Emilia lächelte und stand auf. »Wir sehen uns morgen.«
    Jakob lächelte zurück. »Ja gut. Wir sehen uns morgen.«
    Bodo ging schnellen Schrittes nach Hause. Er holte seinen alten Rucksack aus dem Schrank und packte seine Wasserflaschen, Brote und eine Decke ein. Wenn er sich beeilte, konnte er noch vor Sonnenuntergang am Drachenberg sein. Wo war die kleine Öllampe? Die würde er brauchen. Aus der untersten Ecke seiner Holztruhe holte er sie hervor. Er schaute sich noch einmal um, schloss seine Hütte ab und begab sich auf den Weg.
    Den Bärenweg war er oft mit Rosa und den Kindern gegangen. Erinnerungen kamen hoch, als er alles unverändert sah. Die alte Esche stand noch genauso da wie vor fünf Jahren. Er hörte Bernhard lachen und unzählige Fragen stellen. Rosa war stets vor ihm gegangen, aber er konnte sie lächeln sehen. Auf diesem Weg war sie nicht allein. Ihre Augen sagten hundert Mal Danke, bei jedem Abschied. Sie waren so schön wie eh und je.
    Auf der rechten Seite erschien eine kleine Lichtung. Er hatte sich immer gewundert, wo die hier mitten im dichtesten Finsterwald herkam. Jetzt wusste er es, Eschagundes Versammlungsplatz. Hier sollten sie herkommen, wenn sie keinen Rat mehr wussten und mit Lobelius reden. Ob er ihn rufen sollte? Lieber nicht. Noch einen, der ihm abraten würde, in die Höhle zu gehen, brauchte er nicht. Zügig ging Bodo weiter. Er kam zu der Stelle, wo der Drachenweg begann. Hier hatten sie sich verabschiedet. Hier hatte er Rosa zum letzten Mal gesehen.
    Der Weg wurde breiter. Nichts war gewachsen. Kein einziges Grasbüschel hatte sich herübergetraut. Er war gut zu gehen. Breit und hell, geglättet von Wind und Wetter. Aber er war auch kalt, als würde die Sonne ihn nicht erreichen. Bodo fühlte sich beobachtet von unzähligen Augenpaaren, die sich nicht greifen ließen, sofort verschwanden, wenn er zurückblickte. Gehörten sie zu den Turocks, jenen Schattenwesen, die von allen Bären gefürchtet wurden? Die Eindringlinge in das Dunkel des Erdreichs zogen und niemand wusste, was dort mit ihnen geschah? Bodo schauderte es. Die Vorstellung, so nah am Grauen zu sein, war beklemmend.
    Seine Schritte wurden zaghafter.

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