Drachentau
wurde rot, dann blau, bis er nur noch aus Licht bestand, verblasste und verschwand. Die Tür stand offen.
Bodo schloss die Augen und holte tief Luft. Dann beugte er sich vor und schaute in die Höhle. Der Anblick erschütterte ihn. Schwarz verkohlte Wände. Aschehaufen in den Ecken. Brandgeruch in der Luft. An der hintersten Wand, rechts von Bodo, saßen Emil, Ella und Letizia um Rosa herum, die auf dem Boden lag. Sie wimmerten. Aus der Drachenhöhle drangen knurrenden und drohende Geräusche zu ihnen herüber. Rosa bewegte sich nicht.
Lass mich nicht zu spät sein,
dachte Bodo,
bitte nicht.
Letizia schaute sich um. Sie schlug die Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien, stieß Emil an und zeigte auf Bodo. Sie starrten sich an.
Dann kam Bewegung in Bodo. Blitzschnell ging er zu ihnen. »Schnell Kinder, geht in den Zaubergang«, flüsterte er.
»Aber was ist mit Mama«, fragte Emil leise. Nebenan hörten sie Tumaros brüllen, seine Schritte donnerten.
»Ich trage sie, beeilt euch.«
Sie standen auf und liefen zum Ausgang. Bodo hob Rosa auf. Ein Feuerstrahl blitzte durch die Höhle und traf auf die Wand. Die Kinder schrien auf, drängelten sich weinend durch das Loch. Der nächste Feuerstrahl kam. Der Boden wurde heiß. Die Luft begann zu kochen. Jeder Atemzug schmerzte in den Lungen. Der Tunneleingang leuchtete wieder blass rötlich. Bodo schaute keuchend zur Drachenhöhle. Nur noch Sekunden, dann waren sie hier eingesperrt und die Kinder in dem Stollen allein. Er nahm Rosa hoch und trug sie zum Zaubergang. Davor setzte er sie ab und kroch hinein, um Rosa rückwärts nach drüben zu ziehen.
Tumaros donnerte seine Schwanzspitze gegen den Eingang und spie unentwegt Feuer. Der ganze Torbogen glühte. Rosa stöhnte leise. Sie wurde gewahr, was um sie herum geschah, setzte sich mühsam auf und löste sich aus Bodos Griff.
Dann wurde es still. Tumaros Kopf erschien am Höhleneingang. Seine Augen glühten rot und kühlten abrupt ab, als er sah, dass Rosa verschwinden wollte. Rosa schaute ihn an und ihre Blicke trafen sich.
»Rosa, komm zu mir!«, sagte Tumaros knurrend.
Rosa spürte, wie sein Blick sie zu sich befahl. Sie stellte sich schwankend auf. Ihre Hände suchten am Felsen Halt. Tumaros Blick drang immer tiefer in ihre Seele.
Bodo wollte das Herz stehen bleiben. »Rosa, schnell, komm herüber, der Ausgang verschließt sich.«
Rosa hörte Bodo nicht. Ihre Hände lösten sich von der Wand. Tastend ging sie einen Schritt auf Tumaros zu.
Seine Augen leuchteten, strahlten den Triumph aus. »Komm her Rosa, komm«, knurrte er leise.
Rosa stand ohne Halt, wollte einen weiteren Schritt auf den Drachen zugehen, da wurde ihr schwindelig und sie schloss einen kurzen Augenblick die Augen. Bodo ergriff ihre Hand und mit der Wärme seiner Berührung drang eine Stimme an ihr Ohr. Wie aus weiter Ferne hörte sie Jakob rufen: Hüte dich, einem Drachen in die Augen zu schauen, hüte dich!
Rosa schluckte. Sie stemmte sich gegen den Zauber und ihre Hände suchten wieder Halt am Felsen.
Tumaros spürte, dass er sie verlor, bohrte seine Zauberkraft in sie hinein. Aber er erreichte Rosa nicht mehr.
Sie riss sich los, schaute zur Seite und sank auf ihre Knie. »Nein Tumaros«, sagte sie leise.
»Du gehörst mir!« Seine Stimme überschlug sich.
»Ich gehöre nicht mehr zu dir.« Tränen liefen Rosas Wangen hinunter, vermischten sich mit Ruß und Staub.
Bodo zögerte nicht, packte Rosa von hinten und zog sie in den Zaubergang. Der Lichtvorhang wurde heller und ging vom Rot zum Blau.
Tumaros Augen glühten. Er versuchte sich durch den Torbogen zu drängen, blieb darin stecken, stieß einen Schrei aus und spie einen Feuerstrahl in die Luft. Dann senkte er seinen Kopf tief auf den Boden. »Bitte Rosa, verlass mich nicht!«, schrie er hinter ihr her.
Sie schauten sich an. Rosa stockte der Atem. Es war still in der Höhle. Die Zeit schien stillzustehen, die Erde drehte nicht weiter. Rosas Wunden schmerzten. »Doch Tumaros. Ich verlasse dich«, sagte sie brüchig.
Der Fels kehrte zurück. Langsam verschwand Rosa dahinter.
Tumaros taumelte. Er warf seinen Kopf in den Nacken, holte tief Luft und stieß einen langen, markerschütternden Schrei aus, der gegen die Höhlenwände prallte und ein tausendfaches Echo verbreitete. Der Felsen bebte. Die Bären hielten sich die Ohren zu. Ein Feuerstrahl brauste gegen den Zaubergang. Er begann rot zu glühen und drohte unter dem Feuer zu schmelzen. Bodo keuchte. Die Kinder schrien. Die
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