Drachentau
wie angestochen zurück in seine Höhle geflogen.«
Jakob holte tief Luft. »Das heißt, es steht ein Angriff bevor. Er wird Bernhard suchen und sich rächen.«
»Kann auch heißen, Eschagunde ist noch am Leben und in der Höhle gefangen.«
»Und es heißt, Rosa und die Kinder sind in allerhöchster Gefahr. Wo ist Bernhard jetzt?«
Lobelius zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Bin gleich hierhergekommen, um euch zu warnen. Er wird entweder durch den Finsterwald gehen müssen oder bei der Höhle bleiben. Beides kann übel enden.«
»Er braucht Hilfe. Ich werde sofort gehen und ihn suchen.«
Lobelius flog Jakob vors Gesicht und hielt mit beiden Händen seine Nase. »Und was willst du tun? Wo im Finsterwald willst du ihn suchen, ohne selbst dabei zu sterben? Denkst du, die Turocks lassen dich einfach so durch? Vom Drachen ganz zu schweigen.«
Jakob befreite sich vorsichtig aus Lobelius Griff. »Du hast ja recht. Was schlägst du vor?«
»Nichts. Passt auf euch auf. Und lasse Bernhard rein, wenn er kommt.«
Jakob schüttelte den Kopf. »Nichts? Und wenn Bernhard es nicht schafft? Sollen wir ihn seinem Schicksal überlassen?«
Lobelius kicherte. »Nicht ganz. Ich habe ihn mit einem Tarnzauber belegt. Damit hat er eine minimale Chance. Hast du einen Keller?«
»Soll ich Bernhard im Keller verstecken?«
»Nicht ohne das hier.« Lobelius holte seinen kleinen Beutel hervor. Mit seiner Hand griff er hinein, holte ein wenig Sternenstaub heraus und ließ ihn auf Jakobs Frühstücksteller rieseln. »Das streust du auf die Luke. Dann kann der Drache seinen Herzschlag nicht hören.«
Jakob nickte. »Lobelius, du erstaunst mich. Was doch in einem Blumenelf so alles steckt.«
»Warne das Dorf, Jakob. Ich fliege wieder zum Drachenberg.«
»Aber was ist mit Rosa?«
Lobelius war verschwunden. Jakob seufzte. Dann schlug er mit der Hand auf den Tisch und stand auf. Dies war nicht die Zeit für einsame Entscheidungen. Bevor er das Dorf warnte, wollte er sich mit Emilia und Bodo beraten. Mit festem Schritt machte er sich auf den Weg.
Vor Emilias Gartenpforte blieb er stehen. Der kurze Steinplattenweg war gesäumt von weiß und blau blühendem Steinkraut. Vor ihren Fenstern standen Hortensienbüsche mit lila Blüten. Der kleine Rasen war tadellos gepflegt und lud zum Verweilen ein. Es war nicht schwer, sich Emilia in diesem Blumenmeer vorzustellen. Er berührte den Knauf der Gartenpforte und sah, dass seine Hand zitterte. Die Erkenntnis, dass es ein Fehler war, diese Hütte so lange nicht betreten zu haben, bohrte sich wie ein spitzer Dolch in sein Herz. Mit weichen Knien klopfte er an ihre Tür.
Emilia staunte nicht schlecht, als sie sah, wer vor ihr stand. »Jakob.«
Jakob räusperte sich. »Es gibt Neuigkeiten. Kannst du in einer Stunde zu meiner Hütte kommen?«
»Willst du nicht reinkommen und erzählen, was passiert ist?« Ihre Blicke trafen sich. »Wo du schon mal hier bist?«
Jakob schaute zur Seite. »Jetzt ist keine Zeit. Kommst du?«
Emilia nickte. »Ich werde da sein.«
Jakob drehte sich grußlos um und ging zum Tor. Er spürte Emilias fragenden Blick im Rücken, die keine Anstalten machte, wieder in die Hütte zu gehen. Eilig ging er zu Bodo. Auch dieser versprach zu kommen. Bevor Jakob sich wieder auf den Heimweg machte, hatte er noch eine Unterredung mit Mischa.
»Danke Jakob, für die Warnung. Jetzt ist es also so weit. Ich gehe zum Dorfplatz und halte Wache an der Glocke. Wenn du morgen kommst, beraten wir, wie wir das Dorf warnen.«
Sie drückten sich die Hand. In höchster Not, das wusste Jakob, konnte er sich auf Mischa verlassen.
Nun saßen sie wieder zusammen, Emilia, Bodo und Jakob. Jakob hatte berichtet.
Bodo antwortete als Erster. »Ich habe fünf Jahre mein Wort gehalten und bin nicht zur Drachenhöhle gegangen, genau, wie Eschagunde gesagt hat. Jeden Tag habe ich mich dafür gehasst, habe mich wie ein Feigling gefühlt. Ich habe Rosa und die Kinder im Stich gelassen. Was soll mich jetzt noch aufhalten? Ich will lieber im Drachenfeuer sterben, als ein Feigling zu sein.«
»Willst du als einer sterben, der Schuld ist am Tod eines ganzen Dorfes? Du wirst nicht der Einzige sein, der stirbt«, erwiderte Jakob.
Die beiden Bärenmänner schauten sich an, Bodos Augen sprühten. »Ich bin schuld, wenn der Drache angreift, ja? Und was ist mit dir? Mit niemandem hast du geredet. Klar, dann kann man auch nichts falsch machen, wenn man gar nichts tut. Ich bin hier nicht der einzige
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