Drachentau
Hitze brannte sich ins Fell. Riesige Schweißperlen rannen von ihrer Stirn. Sie pressten sich, nach Luft ringend, auf den Boden.
Doch der Zauber aus uralten Tagen hielt dem Drachenfeuer stand. Der Felsen erstarkte wieder. Sie hörten noch einmal Tumaros Schrei, dann sanken sie in eine tiefe Ohnmacht.
»Bin ich tot?«, fragte Letizia, die als Erste in der Dunkelheit wieder erwachte. Sie tastete vorsichtig mit ihrer Hand den Felsen entlang und berührte Emil.
Auch er erwachte mit leisem Stöhnen. »Bist du es, Letizia?«
»Sind wir tot?«, fragte sie noch einmal.
Bodo hob den Kopf und stieß sich an der Felswand. Er rieb sich die Stelle. »Seit ihr in Ordnung, Kinder?«, fragte er in die Dunkelheit hinein und tastete vorsichtig nach Rosa, die in seinen Armen lag.
»Mir tut alles weh«, weinte Ella.
Sie hatten kaum Platz sich zu bewegen, aber die Luft war abgekühlt.
Bodo spürte Rosas Atem. Gott sei Dank, sie ist noch am Leben, dachte er. Kein Geräusch drang mehr von Tumaros zu ihnen herüber. Es war still. Grabstill. Bodo griff nach seiner Lampe, fand aber nichts zum Anzünden. »Keine Sorge«, sagte er und tastete nach seinem Rucksack, um die Lampe zu verstauen. »Hier kann man sich nicht verlaufen.«
»Wir haben Durst«, sagte Letizia mit weinerlicher Stimme. Bodo kramte nach seiner Wasserflasche und reichte sie in die Dunkelheit hinein. »Hier, nimm.«
Letizia ergriff sie tastend und trank gierig, bevor sie die Flasche an ihre Geschwister weitergab.
Bodo holte eine zweite heraus und hielt sie Rosa an die Lippen. Müde nahm Rosa ein paar Schlucke.
»Wo sind wir hier?«, fragte Ella. »Wie kommen wir hier heraus?«
»Wir müssen kriechen«, sagte Bodo. »Schafft ihr das?«
»Mama schafft es nicht«, sagte Letizia.
»Ich werde Rosa ziehen. Emil, du kriechst als Letzter. Ich gehe rückwärts als Erster und ziehe Rosa hinter mir her. Die Mädchen sind in der Mitte. Schafft ihr das?«
»Ja«, antworteten sie wie aus einem Mund.
»Gut, dann los. Es ist nicht gefährlich, nur dunkel und sehr eng. Auf halber Strecke ist eine kalte Höhle. Da müssen wir so schnell wie möglich durch, verstanden?«
»Ja, verstanden«, antwortete Emil und seine Schwestern nickten nur.
Gefährlich wird es erst, wenn wir draußen sind,
dachte Bodo. Er hatte keine Ahnung, wie sie durch den Finsterwald nach Hause kommen sollten.
Langsam, Stück für Stück, robbten sie vorwärts. Tapfer krochen sie voran. Die Dunkelheit verbarg ihre Tränen. Sie wussten nicht, wie lange sie brauchten. Als sie endlich den Ausgang erreicht hatten, war es früher Nachmittag. Die Sonne stach. Bodo hielt Rosa mit seinen Händen die Augen zu. Der Felsvorsprung war für alle Fünf zu klein, die Kinder blieben im Stollenende liegen, erschöpft schweigend. Bodo holte seine Wasserflasche hervor. Es reichte gerade noch zum Lippenbefeuchten.
Er sah sich um. Die Baumgrenze war gesäumt von verkohlten Baumstümpfen. Tumaros hatte hier gewütet. Er konnte jeden Augenblick wieder kommen.
Aber ohne Wasser kommen wir keinen Schritt weiter,
dachte Bodo.
Ich muss welches holen.
Er kletterte den Felsen hinunter. Gestern hatte er einen kleinen Bach gesehen. Die Wasserflaschen waren schnell gefüllt, der Wiederaufstieg schwieriger. Aber Bodo kam zurück und Tumaros blieb außer Sicht. Die Kinder schliefen.
Rosa blickte Bodo an. »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie mit matter Stimme.
Bodo zog sie in seine Arme. »Erst einmal essen wir etwas. Ich habe Brote eingepackt. Dann werden wir überlegen, wie wir durch den Finsterwald kommen.«
»Es gibt keinen Weg durch den Finsterwald.«
Bodo legte seine Finger auf ihre Lippen. »Nicht sprechen. Du musst dich ausruhen. Wenn wir wieder Kräfte haben, finden wir auch eine Lösung.«
Rosas Augen begannen zu glänzen. Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Sie dachte daran, wie Jakob sie in den Armen gehalten hatte und wie gut sich das anfühlte. Sie lehnte den Kopf an Bodos Schulter und er zog sie noch enger an sich.
»Hast du etwas von Bernhard gehört?«, fragte Rosa.
»Gestern war ein Blumenelf bei Jakob. Der hat Bernhard gesehen und ihm wohl auch ein wenig geholfen. Das ist alles, was ich weiß. In Mühlenau ist er nicht aufgetaucht.«
»Guter, alter Lobelius. Er ist wirklich ein Freund.« Rosa atmete auf. Es gab Hoffnung, dass Bernhard noch am Leben war.
»Du kennst den Blumenelf?«
»Ja, ich kenne ihn. Er hat mich hier oben besucht.«
Unterdessen saß Lobelius im Busch, zog es vor unsichtbar zu bleiben,
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