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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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Kinder.«
    »Du bist eine Drachenbraut und das da sind Drachenbären. Schau dich an. Niemand hier will euch mit durchfüttern.«
    Bodo stand auf und setzte an, etwas zu sagen, aber Rosa kam ihm zuvor.
    Sie baute sich vor Mischa auf. »Ich habe achtzehn Jahre in der Drachenhöhle überlebt und meine Kinder dort großgezogen. Sie sind besser gebildet als ihr alle hier, die ihr nicht einmal Drachen von Bären unterscheiden könnt. Niemand muss uns durchfüttern und du am allerwenigsten.«
    Mischa sah Rosa mit zornigen Augen an und schwieg. Schließlich wandte er den Blick ab. »Und wie bitte stellst du dir das vor? Ihr könntet ernsthaft in Gefahr geraten.«
    »Gefahr ist seit vielen Jahren mein Begleiter.«
    Bodo ergriff das Wort. »Bedenke Mischa, dass Rosa all die Jahre das Ungeheuer von uns ferngehalten hat. Ohne sie hätte er uns schon längst angegriffen und wahrscheinlich noch mehr verwüstet und gemordet.«
    Mischa zog hörbar die Luft ein. »Ist das wahr Rosa? Hast du Tumaros zurückgehalten?«
    Rosa zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn gebeten, unser Dorf zu verschonen. Es gab Zeiten, da ließ er sich von mir etwas sagen.«
    Mischa senkte den Blick. »Nichts für ungut, Rosa. Ich werde euch helfen.«
    Emilia lächelte. »Danke, Mischa. Ich wusste, dass wir auf dich zählen können.«
    »Geht schon in Ordnung. Komm morgen früh zu mir Bodo. Dann besprechen wir, wie wir den anderen die Drachenbären schmackhaft machen.«
    Er setzte seine Mütze auf und hob zum Abschied die Hand.
    »Ist gut, ich komme«, antwortete Bodo.
    Mischa ging zur Tür, drehte sich noch einmal um und schaute Rosa an. »Wo ist eigentlich der Kleine mit den blauen Augen?«
    »Er ist bei meinen Eltern«, antwortete Rosa und ließ sich wieder auf einen Stuhl fallen. »Aber bitte erzähle es niemandem.«
    »Geht in Ordnung.«
    Mischa war fort und auch Emilia verabschiedete sich.
    Rosa umarmte sie noch einmal fest. »Danke für alles«, sagte sie. »Du bist meine Großmutter. Ich liebe dich genauso, wie ich Jakob geliebt habe.«
    Emilia lächelte und küsste Rosa auf die Stirn. »Wir haben viel gemeinsam, wir beide. Irgendwie habe ich mich auch manchmal gefühlt wie eine Drachenbraut.«
    Rosa lächelte. »Ich ahne, was du meinst. Kommst du morgen wieder?«
    »Nein, morgen komme ich nicht. Ich möchte allein sein und über alles nachdenken.«
    »Ja, das verstehe ich. Pass gut auf dich auf, Emilia.«
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Den Rest des Tages verbrachten sie schweigend, jeder in seinen Gedanken. Rosa saß in ihrem großen Sessel und betrachtete still ihre Kinder. Warum wirkten sie so teilnahmslos? Sie würde bei Gelegenheit mit Emilia darüber reden.
    Der Raum lag im Dunkeln, als Rosa in der Nacht erwachte. Der Vollmond schien mit blassem Licht durchs Fenster und zauberte eine gespenstische, graue Blässe auf die Gesichter ihrer Liebsten. Das Feuer im Kamin war längst erloschen, die verkohlten Holzscheite erkaltet. Rosa atmete die Luft in der Hütte tief ein, die nach Leben roch und die Erinnerung an den modrig, verwesenden Gestank der Drachenhöhle sanft verdrängte. Sie lauschte auf das gleichmäßige Atmen ihrer Kinder. Statt von Tumaros gelegentlichem Grunzen wurde es von Bodos leisem, sonorem Schnarchen untermalt.
    Rosa schlang ihre Arme um die Knie und dachte an Emilia. Sie fühle sich auch wie eine Drachenbraut, hatte sie gesagt. Nein, sie konnte nicht wissen, wie man sich als solche fühlt. Aber beinahe einhundertfünfzig Jahre einen Mann zu lieben, um dann nur einen Tag mit ihm zusammen zu sein, das ist beinahe wie eine Drachenliebe.
    Auf der Schlafstubentür ihres alten Zimmers zeichnete sich der Schatten der Wanduhr im Mondlicht ab. Vorsichtig stand sie auf und hinkte leise hinüber, darauf bedacht, niemanden zu wecken. Ihr Herz pochte, als ihre Hand die Klinke hinunter drückte. Ein leiser Wind wehte ihr um die Ohren und es roch noch genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Der Raum war stockdunkel. Sie tastete sich zu ihrer Kommode vor. Ihre Lampe stand noch immer darauf, die Stäbchen zum Anzünden daneben. Ihre Augen gewöhnten sich an das Dunkel. Sie zündete ihre kleine Öllampe an. Der Raum erhellte sich im warmen Schein des Feuers.
    Rosa sah sich um und staunte. Nichts, gar nichts hatte sich verändert. Ihr Bett war gemacht, ihre Haarbürste lag auf der Frisierkommode und ihre Waschschüssel auf dem Tischchen daneben. Sie wischte mit den Fingern über ihren Schrank.

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