Drachentau
zeigen, du wirst sehen.«
Sie setzten sich gemeinsam an den gedeckten Küchentisch und ließen sich die Köstlichkeiten aus Emilias Korb schmecken. Emil betrachtete Rosa mit großer Bewunderung.
»Emilia hat einen Orden verdient für ihre tollen Hähnchenbrüste«, sagte Letizia, mit beiden Backen kauend.
»Wie wahr«, antwortete Bodo. »Aber eure Mutter ist auch eine großartige Köchin.«
»Ja«, schmunzelte Rosa, »ich kenne mindestens hundert Arten, wie man Pilze zubereiten kann.«
»Ich werde mindestens hundert Jahre keine Pilze mehr essen«, antwortete Emil.
Bodo räusperte sich. »Ich möchte euch etwas sagen. Ich werde eure Mutter so schnell wie möglich heiraten. Und wenn ihr wollt, werde ich euch adoptieren.«
Sie rissen die Augen weit auf. »Was? Wirklich? Sind wir dann keine Drachenbären mehr? Sind wir dann eine richtige Familie?«, riefen sie durcheinander.
»Wenn ich das richtig verstehe, haltet ihr das für eine gute Idee«, sagte Bodo lächelnd und warf Rosa einen verliebten Blick zu.
Nach dem Frühstück legte Bodo seinen Gürtel um, schnappte sich seine Baskenmütze und machte sich auf den Weg zu Mischa. Der Mittelweg war gesäumt von Brandruinen, viele Hütten bis zum Boden verkohlt. Kein Bär war zu sehen. Die erste unversehrte Hütte war wie eine Erlösung. Sie gehörte Lilly, der heilkundigen Bärin im Dorf. Sie saß in ihrem Garten und zupfte abgeknickte Blumen aus der Erde. Bodo mochte die alte Bärin, aber heute hatte er es eilig und schritt rasch vorbei. Der Dorfplatz bot ein Bild der Verwüstung. Wie zum Hohn hing lediglich die Glocke in der Mitte noch am Balken und schaukelte sanft im Wind hin und her. Bodo bog links ab und ging den Weg zu Ende bis zu Mischas Hütte. Er kam gerade noch rechtzeitig, denn Mischa schickte sich an, zu gehen.
»Grüß dich, Bodo. Ich wollte gerade für eine Bestandsaufnahme durchs Dorf gehen, damit wir den Wiederaufbau planen können.«
»Grüß dich Mischa! Das Dorf ist wie ausgestorben. Ich habe lediglich Lilly gesehen.«
»Der Schock sitzt tief. So richtig traut sich noch keiner nach draußen. Lass uns hineingehen und Rosas Angelegenheit besprechen.«
Mischas Frau Barbara grüßte Bodo mit einem Kopfnicken. Sie sah sehr mitgenommen aus.
Bodo reichte ihr die Hand. »Hallo Barbara! Ich bin froh, dass euch nichts passiert ist.«
Barbara schüttelte den Kopf. »Niemandem ist nichts passiert, Bodo. Wir sind alle verwundet. Nur der eine mehr und der andere weniger.«
Sie setzten sich an den Tisch. Barbara goss Kaffee ein und Mischa ergriff das Wort.
»Du weißt Bodo, wie sehr das Dorf den Drachen hasst. Sie werden Rosa und ihre Kinder hier nicht akzeptieren. Ferdinand ist bei dem Angriff ums Leben gekommen. Er war außerordentlich beliebt. Auch wenn Rosa den Drachen ferngehalten hat, liegen die Nerven blank.«
»Niemand hasst den Drachen so sehr wie ich, Mischa. Er hat mir meine Braut genommen und übel zugerichtet. Rosa hat Unglaubliches dort oben geleistet. Was denkst du, warum sie immer wieder zurück in die Höhle gegangen ist, nachdem sie mit den Kindern im Dorf war?«
Mischa zuckte mit den Schultern. »Na, warum schon? Weil sie eine Drachenbraut ist.«
»Hast du es noch immer nicht begriffen? Weil er ihr gedroht hat, das ganze Dorf anzuzünden und alle zu ermorden, wenn sie nicht pünktlich zu ihm zurückkehrt. Sie war die letzten Jahre unsere Versicherung, dass der Drache nicht angreift.«
»Warum ist sie dann nicht oben geblieben?«
Bodo zog die Augenbrauen zusammen. »Weißt du, was du da verlangst?«
Mischa wandte schnell den Blick ab. »Entschuldige. Gut, ich sehe ein, dass sie zu uns gehört, auch wenn es schwer ist. Aber wie willst du das den anderen erklären?«
»Mit deiner Hilfe. Wir sagen es ihnen so, wie es ist. Ruf das Dorf zusammen. Dann können wir gemeinsam mit ihnen reden.«
»So einfach, ja? Warum bin ich nur nicht selbst darauf gekommen? Ich sage dir offen, es fühlt sich schlecht an, denn Drache bleibt nun mal Drache. Ich helfe euch, weil Jakob mein Freund war.«
»Das muss mir für heute genügen. Danke, Mischa.«
Gemeinsam gingen sie zum Dorfplatz und Mischa schlug die Glocke im ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus. Nach einer viertel Stunde war das Dorf versammelt. Bodo schaute sich um und war erschüttert, wie viele in der Gruppe fehlten.
»Hört zu«, begann Mischa, »uns allen steckt der Angriff noch in den Knochen. Aber das Leben geht weiter und es gibt Dinge zu besprechen. Als Erstes habe ich eine Bitte
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