Drachentau
tränennassen Augen. »Ich war seine Frau ... für einen Tag ... und eine Nacht ... und ich war nie zuvor ... so glücklich.«
Bodo erhob sich. »Dann will ich mal eine Grube ausheben neben Walburgas Grab.«
»Emilia. Es tut mir so leid.« Rosa legte den Arm um sie und gemeinsam ließen sie eine Weile ihre Tränen laufen bis Rosa wieder Worte fand. »Kannst du mir helfen, den Sarg zu schmücken?«
Emilia nickte. »Das möchte ich auf jeden Fall.«
Die beiden Frauen gingen hinter die Hütte und begannen schweigend mit ihrer Arbeit. Rosa brannte mit einem heißen Draht Blumenornamente in den Sargdeckel und schrieb all ihre Liebe und guten Wünsche in kunstvoller Schrift um die Blumen herum. Emilia sammelte Eschenblätter und kleidete den Sarg damit zu einem würzigen, weichen Waldbett aus. Sie sammelte die schönsten Blüten aus Jakobs Garten in gelb, rot und blau und schmückte damit den Rand. Bodo half, den Sarg in die Schlafstube zu tragen und Jakob hineinzulegen. Emilia bedeckte ihn mit einem Blütenmeer und ließ die noch sichtbaren Brandwunden darunter verschwinden. Sie bauten den Sarg vorm Kamin auf und Rosa schrieb Bodos und Emilias Abschiedsgrüße auf den Deckel.
Mischa klopfte an die Tür und trat vorsichtig ein. Er nickte Rosa wortlos zu und betrachtete kurz die Kinder, die ihren früheren Lehrer scheu ansahen.
»Schön, dass du da bist«, begrüßte Bodo ihn.
Mischa nahm seine Mütze ab, als er den toten Jakob im Sarg liegen sah. Er senkte seinen Blick.
»Jakob, du alter Griesgram. Bist einfach so gegangen und lässt uns zurück. Wir werden dich vermissen.«
Sie versammelten sich um den Sarg und falteten die Hände.
»Es war nicht immer leicht, mit dir auszukommen«, begann Bodo, »aber es gab keinen besseren Freund als dich. Du wusstest, was zu tun war, wenn es gefährlich wurde. Du hast uns Hoffnung gegeben. Ich wäre gerne dein Schwiegerenkelsohn gewesen.«
Rosa holte tief Luft und räusperte sich gequält. »Du warst der beste Großvater der Welt ... Ich habe mich immer von dir geliebt gefühlt ... Auch noch, als du nicht mehr mit mir sprechen wolltest ... Ich habe dich mit Schmerzen vermisst ... und jetzt weiß ich, dass ich dich ... für immer vermissen muss.« Tränen strömten aus ihren Augen. »Bitte verzeih mir Großvater ... Verzeih mir, dass ich nicht auf dich gehört habe ... Du hattest recht. Schau niemals einem Drachen in die Augen, hast du immer gesagt ... Ich habe dir das Herz gebrochen, als ich wegging ... Jetzt kann ich es nie mehr gutmachen ... Ich vermisse dich so sehr ...« Rosas Stimme erstickte.
Emilia räusperte sich. »Ich habe mein ganzes Leben nur einen Mann geliebt ... Danke, dass ich deine Frau sein durfte ... für einen Tag ... Ich werde dich nie vergessen ... Wir werden uns wieder sehen, Jakob.«
»Du warst mein Freund von jüngster Jugend an und ein verdammter Sturkopf«, sagte Mischa. »Ich konnte dir lange nicht verzeihen, dass du mir Walburga weggeschnappt hast. So lange nicht, bis ich Barbara traf. Ich hätte nie geglaubt, dass der Drache gerade dich erwischen würde. Ich weiß nicht, wer uns in Zukunft vor dem Ungeheuer warnen soll. Wir werden dich vermissen, Jakob.«
Dann schwiegen sie und jeder ließ seine Tränen laufen.
Emil, Ella und Letizia standen mit gesenktem Kopf am Fußende. Sie sahen die Trauer der anderen, aber ihre Herzen blieben stumm.
Bodo und Mischa nickten sich zu, verschlossen den Sarg und trugen ihn hinter die Hütte zu der alten Eberesche. Langsam ließen sie ihn an Seilen in das Grab hinunter. Bodo nahm einen Spaten und begann, die Grube zuzuschütten. Er gab ihn weiter an Rosa und so wurde der Spaten von einem zum anderen gereicht und gemeinsam deckten sie Jakob zu. Mischa nahm ein Holzkreuz mit Jakobs Namen und steckte es in die Erde. Sie fassten sich noch einmal an den Händen und ließen ihre Tränen laufen. Dann trennten sie sich von dem Grab und gingen zurück in die Hütte.
»Wir müssen noch einige Dinge besprechen«, sagte Mischa, dem Emilia eine Teetasse reichte. »Auch wenn es ein schwieriger Zeitpunkt ist.«
»Nur zu«, antwortete Bodo, »wir wissen alle, dass das Leben weiter gehen muss.«
»Um es gleich zu sagen«, fuhr Mischa fort, »ihr seid hier nicht willkommen. Ich könnte noch damit leben, wenn ihr hier hinten bleibt. Aber die anderen im Dorf wollen euch nicht.«
Rosa machte sich steif. »Ich bin Rosa, die Tochter von Lena und Boris und die Enkelin von Jakob. Ich habe ein Recht hier zu sein. Ich und meine
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