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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
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nach Luft und lauschte. Kein Laut kam aus der Höhle. Es war undenkbar, dass Tumaros ihn nicht gehört hatte. Womöglich war er nicht zu Hause?
    Mit zitternden Knien ging Bernhard langsam hinein. Der verwesende Gestank von Bärenfleisch und kaltem Rauch schlug ihm entgegen. Übelkeit überkam ihn. Er hielt sich den Bauch, versuchte ruhig zu atmen, eine Hand vor den Mund. Ein Windstoß schlug ihm den Gestank direkt ins Gesicht. Bernhard eilte zum Ausgang und übergab sich. Sein Magen verkrampfte sich ein ums andere Mal, bis nur noch grüne Galle über seine Lippen kam. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Mühsam richtete er sich auf. Sein Mund schmeckte bitter. Bernhard atmete tief ein und aus. Das schwarze Loch im Höhleneingang glotzte ihm entgegen. Vorsichtig schritt er vor und näherte sich der Höhle erneut.
    Schneidende Stille empfing ihn, jeder seiner Schritte hallte todbringend in die Höhle hinein und verlor sich im Dunkeln. Alle Kräfte zusammennehmend ging er weiter. Bernhard kannte jeden Felsvorsprung, jede Kurve, jeden Stein.
Wie habe ich es hier bloß ausgehalten,
fragte er sich. Von seinem Vater war noch immer keine Spur. Ermutigt durch die unerwartete Abwesenheit, die einen kleinen Aufschub der Begegnung verhieß, ging er weiter. Jetzt stand er in der Mitte der Höhle und sah, mittlerweile an das Dunkel gewöhnt, den Eingang zu seiner Kinderstube, den Knochenhaufen und die Schatzhöhle. Er schaute nach links, dort wo sein Vater zuletzt geschlafen hatte und hielt die Luft an. Sein Herz setzte aus zu schlagen.
    Dort lag er, mit geschlossenen Augen, regungslos und matt. Ein lebloser Drache. Bernhard starrte ihn an. Fassungslos ging er auf Tumaros zu. Dicht vor seinem Schädel machte er Halt. Sein Herz raste. Zögernd streckte er seinen Arm aus und berührte zaghaft seine Nüstern. Sie fühlten sich weich an. Weich und kalt. Grunzende Laute kamen aus Tumaros Kehle. Erschrocken zog Bernhard seine Hand zurück. Der Drache öffnete die Augenlider. Links kam ein schwarzes Loch zum Vorschein, in dem sich dicke Maden tummelten und einen süßlichen, widerwärtigen Gestank verbreiteten. Bernhard überkam erneut heftige Übelkeit. Er schlug die Hand vor den Mund, drehte sich weg, sank auf die Knie und schluckte mühsam das Würgen hinunter.
    Keuchend, um Fassung ringend, stand er auf und wandte sich Tumaros wieder zu. Sie schauten sich an, Vater und Sohn.
    »Bernhard.« Tumaros Stimme klang matt.
    »Vater«, flüsterte Bernhard.
    »Ich habe dich kommen hören.«
    Tumaros blickte starr auf seinen Sohn. Bernhards Herz raste. Mit zitternden Fingern berührte er Tumaros erneut, streichelte über seine Nüstern.
    »Warum bist du hier?«
    »Weil ich ... ich ... wollte dich sehen.«
    Der Drache grunzte. »Ich habe euch nur Schmerzen gebracht.«
    »Ja, das hast du.«
    »Ihr habt mich verlassen.«
    »Wir mussten gehen Vater.«
    Tumaros holte tief Luft. »Ich weiß ... Ich vermisse Rosa.«
    Bernhard zitterte am ganzen Körper. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, schmeckten salzig auf seinen Lippen. Er stützte seinen Kopf auf Tumaros Nase. »Was ist passiert, Vater?«
    »Die Fee ... meine ... ärgste ... Feindin.«
    »Wo ist sie?«
    »Sie war ... stärker.«
    »Vater ... ich ...»
    »Sag Rosa ... ich liebe sie.« Die Augen fielen ihm wieder zu. Ein leises Stöhnen kam aus seiner Brust. Dann war es still.
    Bernhard verbarg sein Gesicht an Tumaros Nüstern. Sein Körper schmerzte, durchgeschüttelt von heftigem Schluchzen. Die Zeit stand still. Langsam begann frostige Kälte, vom Boden in Bernhards Glieder zu kriechen. Er hob seinen Kopf und sah, dass der grüne Panzer des Drachen sich grau färbte. Die Edelsteine fielen herunter, prallten auf den Boden und verbreiteten ein dumpfes Echo, bevor sie zu Staub zerbröselten.
    Bernhard erschrak. Er schlang seine Arme um seinen Vater, versuchte ihn festzuhalten. »Vater gehe noch nicht ... bitte.«
    Tumaros antwortete nicht mehr, war nur noch eine Drachenhülle, vom Grau des Felsen kaum noch zu unterscheiden. Sein Panzer gab unter Bernhards Händen nach und bot keinen Halt mehr.
    Tumaros war tot.
    Bernhard sank auf die Knie und ließ hemmungslos seine Tränen laufen.
    Die Höhle bebte leise. Hinter Tumaros‘ Kadaver verschwand die Felswand. Faustdicke Gitterstäbe wurden sichtbar. Dahinter lag eine Frau auf dem Boden, zusammengekauert mit dem Gesicht nach unten.
    Bernhard stockte. Langsam erhob er sich und ging an die Gitterstäbe heran. »Darum hast du hier gelegen. Du hast

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