Drachentochter
schutzlos gelassen. Die Wächter verbeugten sich höflich vor Lord Ido, und der Ältere der beiden trat mit der Entschiedenheit seines Berufsstands einen Schritt vor.
»Danke, Lord Ido«, sagte er, »doch wir haben Befehl, Lord Eon vom Steinkompass zu geleiten.«
Ich wollte mich befreien, doch Ido hielt mich umso fester. Das Bernsteingelb seiner Augen ging in Silber über. »Lord Eon sagt, er braucht eure Hilfe nicht«, erwiderte er leise.
Ich hielt den Atem an. Dieser erfahrene Soldat würde sich von Idos Drachenzauber doch wohl nicht beeinflussen lassen?
Der Mann runzelte die Stirn, und ich sah, wie seine Beharrlichkeit ins Wanken geriet.
»Nein, wartet …« Doch der Rest meines Flehens ging in furchtbaren Schmerzen unter, als Ido mir den Daumen in die Schulter grub – genau an der Stelle, wo schon mein Meister mir während der Zeremonie seinen Willen aufgezwungen hatte.
Beide Wächter machten pflichtschuldig eine rasche Verbeugung und gingen davon.
Ido lachte leise. »Ich bin noch immer Herr über Eure Kraft.«
Er ließ meine Schulter los, doch der Schmerz und die Erschöpfung hatten mich so schwindlig gemacht, dass Ido und Dillon mich zum Drachenhaus halb trugen und halb schleiften. Im Hof hörte ich eine Tür aufgehen, hob den Kopf und suchte mit trübem Blick nach Rilla. Sie kam auf mich zugerannt.
»Geht es Euch nicht gut, Mylord? Wo sind Eure Wächter?« Sie sah Ido an. »Lasst ihn los. Ich kümmere mich um ihn.«
»Aus dem Weg!«, fuhr Ido sie an. »Wir bringen ihn in seine Kammer.«
Sie sah zu, wie Lord Ido und Dillon mich über die Schwelle trugen und mich in dem dunklen Gemach vorsichtig auf die Pritsche setzten. Ido nahm neben mir Platz und tat, als würde er mich aufrecht halten, doch in Wirklichkeit grub er mir mit den Fingern eine weitere Warnung ins Fleisch.
»Dein Meister braucht nur etwas Ruhe«, sagte Ido. »Das ist nur die Ermattung der Drachenaugen.«
Rilla war skeptisch und sah mich an. »Stimmt das, Mylord?«
»Lord Eon sagt, du sollst gehen. Mach ihm etwas zu essen und lass ihn ruhen«, versetzte Ido kühl.
Ich wand mich unter seinem Griff und hoffte, den Drachenzauber beenden zu können. Doch Rillas eben noch strenges Gesicht entspannte sich. Sie verbeugte sich gehorsam und verließ das Zimmer.
»Geh«, befahl Ido nun auch Dillon. Dann wandte er sich mir zu und wartete nicht einmal, bis sein Lehrling die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Er ließ mich so plötzlich los, dass ich nach hinten sank und mit dem Rücken an die Wand stieß. Meine Glieder waren nach den langen Stunden unter seiner Herrschaft noch immer schwer.
»Lasst mich in Ruhe.« Meine Stimme war leise und schwach.
»Dafür ist es ein wenig spät, findet Ihr nicht?« Er lächelte, ließ die Schultern kreisen und straffte sich. »Ihr und Brannon habt also geglaubt, den Kaiser und die Drachenaugen zum Narren halten zu können?« Er lachte. »Offenbar zu Recht, denn Ihr habt alle zum Narren gehalten. Sogar mich.«
Er strich mir über das Fußgelenk. Ich zuckte bei seiner Berührung zurück und die Angst verlieh mir neue Kräfte.
»Aber jetzt weiß ich Bescheid. Und das bringt Euch in eine sehr schwierige Lage, nicht wahr?«
Ich ließ ihn nicht aus den Augen, aus Furcht, er könnte sich mir wieder nähern.
»Ich würde sogar sagen, dass es Euch vollkommen in meine Gewalt bringt.« Er lachte wieder leise vor sich hin. »Und zwar in mehr als einer Hinsicht.«
Ich grub meine Finger in die Matratze. Würde er mich erneut zu seinem Sklaven machen? Das könnte ich nicht ertragen.
»Wie habt Ihr das gemacht? Wie habt Ihr Euch meiner bemächtigt?«
»Es klingt seltsam, aber ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich vermute, wir waren durch meinen Drachen verbunden.« Er zuckte die Achseln. »Wie auch immer es dazu kam – es hat meine Macht verzehnfacht. Berauschend. Zu schade, dass die Wirkung schon nachlässt, aber wir werden daran arbeiten.«
Die Wirkung ließ nach. Hatte er also nicht mehr die Kraft, mich zu überwältigen? Ich klammerte mich an diese kleine Hoffnung.
»Brannon hat alles für Euch gewagt.« Er musterte mich kurz. »Eure Tarnung als Mondschatten war wirklich raffiniert. Aber seid Ihr wirklich körperlich behindert? Oder ist das auch bloß Maskerade?«
Ich sah weg, denn der Betrug meines Meisters tat noch immer furchtbar weh.
»Also seid Ihr tatsächlich behindert. Bedauerlich. Immerhin kann ich inzwischen das Mädchen in Euch erkennen und Ihr seid nicht ohne Reize. Gehörte das auch zu
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