Drachentochter
kniete.
»Merk dir fürs nächste Mal, dass man Höhergestellte nicht stört.« Obwohl Idos Stimme mild klang, erstarrte der Mann vor Angst. Der Lord wandte sich noch einmal zu mir um und ließ seinen Blick auf mir ruhen. »Glückwunsch zu Eurem heutigen Erfolg, Lord Eon. Ihr habt alle Erwartungen übertroffen.« Dann lächelte er und verließ das Zimmer.
18
Der Dorfbewohner an der Tür verneigte sich erneut. Ich sah ihn an und konnte mich nicht von dem Schrecken befreien, der mich wie ein Schraubstock umklammerte.
Der Mann hob vorsichtig den Kopf. »Mylord?«, wagte er zu äußern. »Bitte verzeiht, aber der Bote sagte, es sei sehr dringend.«
Ich machte einen tiefen, schlotternden Atemzug. Ido war verschwunden. Vorläufig wenigstens.
»Sag ihnen …« Meine Stimme zitterte. Ich hielt inne, holte erneut Luft und bemühte mich, meine Worte bestimmt klingen zu lassen. »Sag ihnen, ich bin gleich da. Und jetzt geh.«
Er zog sich zurück und ließ mich mit dem leeren Garten und der düsteren Erkenntnis zurück, dass Idos Macht umfassend war. Es schauderte mich. Ido beherrschte nicht nur meinen Geist und meinen Körper: Er hatte mich so in die Enge getrieben, dass ich meine Freunde und Verbündeten verriet.
Ganz gleich, wofür ich mich entschiede – ich würde zum Werkzeug ihrer Niederlage. Gestand ich dem Drachenrat die Wahrheit, wurde ich getötet, Kaiser und Prinz verloren ihren Verbündeten unter den Herrschenden Drachenaugen und den Rat, und Sethon bestieg den Thron. Unterwarf ich mich dagegen Ido, war ich gezwungen, im Drachenrat seine Befehle zu befolgen, und Sethon hatte die Drachenaugen unter Kontrolle. So oder so – Ryko und sein Widerstand hätten kein Drachenauge mehr, um das sie sich scharen konnten, und Lady Dela wäre auf die Gnade eines Hofes angewiesen, der sie für einen Dämon hielt. Ich konnte noch nicht einmal fliehen, wenn ich Rilla und Chart nicht Idos Grausamkeit ausliefern wollte.
Ich hatte alle enttäuscht. Und hinter all dem steckte Idos eigentliches Ziel: mit mir die Perlenkette zu erschaffen und Kaiser zu werden. Ob das nun möglich war oder nicht: Schon die Vorstellung, er könnte eine derartige Macht bekommen, versetzte mich in Panik.
Mir blieb noch ein letzter Ausweg, doch Ido hatte es richtig erkannt: Selbstmord lag einfach nicht in meiner Natur. Vielleicht war es Feigheit, doch ich war nicht bereit zu sterben. Weder für meinen Kaiser noch für den Prinzen – und selbst für meine Freunde nicht. Und wegen dieses schändlichen Mangels an Mut war ich nun Sklave von Idos Wünschen.
Vielleicht hatte diese Unwürdigkeit ja den Spiegeldrachen vertrieben. Auf dem Podium jedenfalls hatte ich nicht einmal einen schwachen Umriss von ihm gesehen. Es war, als habe es ihn nie gegeben. Und nun hatte ich die letzte Verbindung zu ihm verloren: das rote Buch. Ich strich über meinen nackten Unterarm und vermisste den beruhigenden Halt der Perlen. Ido hatte mir wirklich alles genommen.
Rilla erschien in der Tür. »Mylord, Ryko ist zurück.«
Ihre Worte brachen den Bann meiner Verzweiflung und ich drehte mich zu ihr um. »Ryko?«
»Hier bin ich, Herr.« Er kam ins Zimmer und verneigte sich. Er war völlig verschmutzt und stank nach fauligem Wasser, trug aber ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Gut gemacht, Mylord. Euer großartiger Erfolg hat uns allen Hoffnung gegeben.«
»Wo bist du gewesen?« Ich erhob mich in plötzlichem Zorn vom Bett. »Du hast gesagt, du würdest rechtzeitig zur Prüfung zurück sein.«
»Es tut mir leid, Herr.« Meine Wut ließ ihn einen Schritt zurückweichen. »Ich habe nach Idos Boten gesucht, um zu erfahren, welche Nachricht er übermittelt hat.«
»Du hättest zurückkehren sollen.«
»Meine Männer hatten Befehl, Euch zu bewachen. Haben sie ihre Pflicht nicht erfüllt?«
Ich vermochte seinem freimütigen Blick nicht zu begegnen. »Doch, deine Männer sind gekommen.« Ich schielte zu Rilla hinüber, doch meine Lüge ließ sie nicht einmal mit der Wimper zucken. Idos Drachenzauber hatte also auch die Erinnerung verdunkelt. »Und, hast du den Boten gefunden?«
»Schließlich ja. Er trieb mit durchschnittener Kehle in einem alten Kanal.«
Rilla verzog das Gesicht. »Und warum?«
Ryko kratzte am Schmutz in seinem Gesicht. »Ich schätze, damit keiner wie ich ihn mit Gewalt dazu zwingen konnte, seine Botschaft zu verraten.«
»Oder jemand anderes wollte die Nachricht auch und ist dir zuvorgekommen«, gab ich zu bedenken.
Ryko nickte. »Das
Weitere Kostenlose Bücher