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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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leiser, kehliger Ruf. Von rechts. Und noch einmal.
    Plötzlich warf er den Kopf in den Nacken und ahmte den Ruf nach, doch sein breites Lächeln ließ das Geräusch rasch ersterben.
    Ringsum erhoben sich Schatten im Unterholz und verwandelten sich in menschliche Umrisse.
    »Für den Perlenkaiser«, flüsterte eine Stimme.
    »Solly?«
    »Ryko?«
    In einer Lücke im Unterholz erschien ein Gesicht. Es hatte die Augen eines Schweins, einen mächtigen Unterkiefer und ein recht schadhaftes Lächeln. Ich zuckte zurück und hob mein Messer. Ob das ein Dämon sein mochte?
    »Ryko, wir hätten uns vor Angst fast in die Hose gemacht«, flüsterte das Gesicht. »Wir dachten, ihr wärt Kundschafter der Armee.« Er war der hässlichste Mann, den ich je gesehen hatte. Erleichtert senkte ich meine Waffe. Er gehörte zu Rykos Verbündeten aus dem Widerstand.
    »Ich wusste nicht, ob du es bis hierher schaffen würdest«, sagte Ryko.
    »Fast wäre es schiefgegangen. Ich weiß nicht, wie viele von uns durchgekommen sind.«
    »Solly, ich habe Lord Eon dabei«, sagte Ryko schnell.
    Also hatte er ihnen die Wahrheit über mich vorenthalten. Wer war es diesmal, der nur die halbe Geschichte erzählte?
    Sollys winzige Augen wurden groß. »Lord Eon?« Rasch machte er eine inbrünstige Verbeugung. »Es ist mir eine Ehre, Mylord.«
    Ich nickte nur knapp, denn ich war von seiner Hässlichkeit wie gelähmt.
    »Ich habe den Eindruck, ihr seid ungefähr zwanzig – kommt das hin?«, fragte Ryko. »Und seid ihr alle bewaffnet?«
    Solly hob einen großen Metallhaken und grinste. »Ja, alle. Was brauchst du denn?«
    »Wir müssen uns zur Rattendrachenhalle und von dort zurück zum Kaiserpalast durchschlagen.«
    »Dahin werden wir dich schon bringen«, sagte Solly, wandte sich an mich und senkte erneut den Kopf. »Und Euch auch, Lord Eon.«
    »Danke, Solly«, sagte ich. »Ihr seid vom Inselwiderstand, nicht wahr?«
    »Ja, Mylord. Wir sind gekommen, als Ryko uns gerufen hat.« Sein Lächeln wich einer seltsamen Schüchternheit. »Wir alle wissen, dass Ihr es seid, der Sethon zu besiegen weiß. Wir werden Euch dienen, Herr. Bis in den Tod. Für den Perlenkaiser.«
    »Für den Perlenkaiser«, wiederholte ich.
    »Jetzt aber los«, sagte Ryko säuerlich. »Solly, lass die Männer fächerförmig vorrücken. Bleibt in Deckung, wenn wir die Mauer erreichen. Und schick jemanden zurück, um unser Pferd zu holen.«
    Solly wandte sich an seine Leute und gab ihnen mit leiser Stimme Befehle, während Ryko mir die Hand entgegenstreck te. Ich schob sie weg, stand auf und rückte meine Robe zurecht.
    »Hier«, sagte ich und hielt ihm sein Messer hin.
    Er fasste es ins Auge. »Habt Ihr jemals einen Menschen durch einen Messerstich getötet?«
    »Nein.«
    »Das hier ist die beste Stelle«, sagte er und tippte kurz aufs Delta des Charismas über der Oberkante meiner Schärpe. »Wenn Ihr aufwärts stecht, trefft Ihr von dort das Herz. Die Schneide ist lang genug.« Er wandte sich ab. »Stecht kräftig zu und wundert Euch nicht über den Widerstand von Haut und Muskeln.«
    Plötzlich fiel mir wieder ein, wie Ryko Ranne ein Messer unter die Rüstung gerammt hatte. Ob es diese Waffe gewesen war? Ich drängte die dunkle Erinnerung beiseite und schob das Messer sorgsam zwischen die Falten meiner Schärpe.
    Solly befahl seinen Männern, sich auf ihre Positionen zu begeben. Ich folgte Ryko, der sich durchs Unterholz zu schieben begann, und tröstete mich damit, dass wir nun immerhin von hinten keinen Angriff mehr befürchten mussten. Die kurze Rast hatte meiner Hüfte gut getan, doch ich konnte nichts gegen die Schmerzen tun, die bei Rykos unerbittlichem Tempo gleich wieder einsetzten. Hätte mir jemand eine Prise Sonnenpulver angeboten, ich hätte sie trocken hinuntergeschluckt.
    Ich keuchte, als wir aus den dichten Büschen brachen und der Rattendrachenhalle gegenüberstanden. Hier war der Bewuchs spärlicher, die Deckung schlechter. Ryko gab Solly ein Zeichen und schon schien das dichte Laub ihn und seine Männer wieder verschluckt zu haben. Ich spähte ins dunkle Gebüsch. Von den Widerständlern war nichts zu sehen, obwohl ich wusste, dass sie irgendwo im Unterholz steckten, um die Lage zu beobachten und auf unsere Rückkehr zu warten. Das war ein beruhigender Gedanke.
    Ryko musterte die Oberkante der hohen Mauer. »Wir nehmen den gleichen Eingang wie beim letzten Mal.« Er sah mich aufmerksam an. »Alles in Ordnung?«
    Ich nickte, holte zweimal tief Luft und sagte mühsam:

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