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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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mich um und folgte Ryko. Unvermittelt war meine Angst von einer heftigen Erregung überlagert.
    Ryko stand mit dem Pferd hinter dem letzten dichten Gebüsch und ließ den Blick über die Gärten schweifen. Uns direkt gegenüber gab es einen beleuchteten Weg. Die Laternen hingen an Seilen, die von Mast zu Mast gespannt waren. Mir stockte der Atem angesichts der Soldaten, die in ihrem Lichtkreis kurz sichtbar wurden und gleich wieder im Dunkeln verschwanden. Dann erhoben sich zwei von Sollys Männern wie Schatten vom Boden und rannten ins dunkle Unterholz.
    »Wir werden Wege so weit wie möglich meiden«, sagte Ryko, »doch irgendwo werden wir auf die Straße zum Tor gelangen und sie wird ebenso gut beleuchtet sein wie der Weg da vorn.« Er zog sein Schwert geräuschlos aus der Scheide. »Ob Ihr diese Waffe führen und Euch dennoch auf dem Pferd halten könnt?«, fragte er und reichte sie mir mit dem Griff voran. Ihr Gewicht erstaunte mich. Sie war doppelt so schwer wie die Waffen, mit denen ich in der Arena gefochten hatte.
    Ich nahm das Schwert etwas anders in die Hände. »Ich ha be nie geübt, gegen andere zu fechten.«
    Ryko lächelte. »Ich weiß. Ihr sollt im Vorbeireiten die Sei le kappen, damit die Laternen runterfallen. Sonst könnten wir auch mit Fackeln unterwegs sein, um den Bogenschützen ein besseres Ziel zu liefern.«
    »Die Seile im Vorbeireiten kappen?« Es fiel mir schon schwer, mich auf dem Pferd zu halten, und jetzt sollte ich gleichzeitig noch ein ausgewachsenes Schwert schwingen? »Ja, das kann ich tun«, sagte ich, hörte aber selbst den Zweifel in meiner Stimme.
    »Wir haben eine gute Chance durchzukommen«, sagte Ry ko ermutigend und streckte die Hand aus. Ich gab ihm das Schwert zurück und er schob es lässig wieder in die Scheide. »Sicher halten sich die meisten Soldaten an den Palastmauern und den Toren auf«, fuhr er fort. »Bestimmt gibt es auch eine Nachhut, die das gesamte Gelände im Blick behält, doch ich habe schon mit Solly und seinen Männern gearbeitet. Sie ken nen ein paar Kniffe, mit denen sie sogar Sethons beste Soldaten scheu machen werden.« Er nickte mir zu. »Fertig?«
    »Fertig.«
    Er strich dem Pferd über den Nacken, saß mit leisem Ächzen breitbeinig auf und reichte mir die Hand. Ich packte zu, und er hob mich mit solchem Schwung hinter sich aufs Pferd, dass meine Schultersehnen brannten.
    Wie zuvor schlang ich Ryko die Arme um die Taille und mit einem Ruck ging es los. Als wir die Deckung verließen, hatte ich im ersten Moment Angst. Ryko lenkte das Pferd auf den Dienerpfad, der weiter unten verlief, und setzte es in Galopp.
    »Achtet darauf, was sich vor uns tut«, befahl er und richte te seine Aufmerksamkeit auf die Gärten zu unserer Rechten. Atemlos spähte ich über seine Schulter. Wir ritten zur Halle des Büffeldrachen zurück.
    Die Gärten, die an uns vorbeiflogen, boten jede Menge Deckung. Solly hatte gesagt, im Smaragdgrünen Ring wimm le es von Soldaten, aber wäre es nicht doch besser gewesen, dort statt über offenes Gelände zu reiten? Ryko zog die Zügel an, als wir uns einer Kurve näherten. Einige Mauerabschnitte und das Dach der Halle waren bereits zu sehen. Wir erstarrten, als sich eine furchtbare Totenklage erhob, die wie ein Dämonenschrei aus der anderen Welt klang.
    »Was ist das?«, keuchte ich.
    Ryko riss das Pferd herum, setzte vom Dienerpfad ins Unterholz und brachte das Tier dort zum Stehen. Ich spürte, dass er so schwer atmete wie ich.
    Ich glitt vom Pferd. Eine entsetzliche Ahnung trieb mich voran.
    »Was habt Ihr vor?«, wollte Ryko wissen.
    Doch ich war schon auf allen vieren und kroch den Stimmen durchs Unterholz entgegen. Ich musste sie sehen. Ich krabbelte einen Hang hinauf und geriet dabei mehrfach mit den Knien auf meine Robe. Die schwarzen Perlen in meinem Ärmel zogen sich schützend fester um das rote Buch. Ein Stein, an dem ich Halt suchte, lockerte sich unter meinem Griff und stieß gegen meine bandagierte Handfläche. Ich konnte den Schrei gerade noch unterdrücken. Allerdings hätte mich bei der schrillen Wehklage, die vom Straßenrand kam, ohnehin niemand gehört.
    Schließlich schob ich mich durch eine Reihe Sträucher. Und dann sah ich sie, ein Stück vor mir auf dem Boden: dunk le, seltsam verkürzte Silhouetten und daneben drei Dienerinnen auf Knien, die die Toten beklagten. Ich legte mich flach auf den Boden und mein Blick glitt unaufhaltsam zu den abgetrennten Köpfen. Einer war von mir abgewandt und lag in einer

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