Drachentochter
Der Tunnel war kein schleimiges Abflussrohr mehr, sondern mit gold geränderten Blumen- und Früchtemustern prächtig gefliest. Dicke blaue Teppiche waren im schmalen Gang ausgelegt. Es war noch immer kalt und feucht, doch ein schweres Parfüm hing in der Luft.
»Die sind ja herrlich«, flüsterte ich und besah mir die Teppiche. »Wie kommt es, dass sie nicht verrotten?«
Ryko grunzte belustigt. »Ich schätze, sie werden monatlich erneuert.« Er musterte das Gewebe. »Hier ist niemand durchgekommen«, sagte er langsam. »Auf dem Teppich sind keine Spuren zu erkennen. Und die Lampen sind auch nicht angezündet.« Er nahm die Tonschale und schob sie in seinen Beutel. »Bei der Räumung muss etwas schiefgegangen sein.«
»Könnten sie den Harem auf einem anderen Weg verlassen haben?«
Er kaute an der Unterlippe und richtete sich auf. »Vielleicht durch das Tor der Gelehrten. Sollten wir getrennt werden, schlagt Euch wieder zu diesem Tunnel durch und folgt ihm bis zum Fluss. Dort wartet ein Mann mit einem Boot. Er wird Euch in Sicherheit bringen.« Er sah meinen Widerwillen. »Habt Ihr verstanden? Ihr dürft Sethon nicht in die Hände fallen.«
Ich nickte und nahm mir vor, meine Gefühle ab jetzt besser zu verbergen.
Wir gingen wortlos weiter. Der dicke Teppich verschluckte den Klang unserer Schritte und unsere Kerzen ließen das Gold und Blau der Fliesen aufleuchten wie Sonnenstrahlen auf dem Wasser. Mitunter blieb Ryko stehen, hielt seine Flamme an eine an der Wand befestigte Öllampe und hatte so schon eine ganze Reihe von Lichtern entzündet, die hinter uns brannten.
»Für den Rückweg«, sagte er.
Woher nahm er nur diesen Mut und Optimismus? Ich hob den Blick zur leuchtenden Decke. Über uns marschierte eine Armee, die von einem skrupellosen General angeführt wurde, der den Thron an sich reißen wollte und darin von einem Wahnsinnigen mit der Macht eines Herrschenden Drachenauges unterstützt wurde. Die Erinnerung an Lord Tyrons enthauptete Leiche und an Hollins schlaffes Gesicht ließ mir unvermutet die Galle in die Kehle steigen. Waren inzwischen alle Drachenaugen und ihre Lehrlinge tot? Einer von ihnen hatte vielleicht überlebt: Dillon. Und natürlich ich.
Der arme Dillon. Konnte sein Überleben Idos Pläne zunichtemachen? Mussten nicht alle, die mit einem Drachen verbunden waren, sterben, bevor die Perlenkette geschaffen werden konnte? Ich seufzte. Mangelndes Wissen war wie stets mein Problem. Ich wusste einfach nicht genug über die Macht der Drachenaugen. Ich strich über das rote Buch und vergewisserte mich, dass es immer noch sicher an meinem Arm befestigt war. Hoffentlich würde Lady Dela darin bald jenes Wissen finden, ohne das wir verloren waren. Vorher mussten wir allerdings Lady Dela finden.
Plötzlich bebte der Boden unter unseren Füßen. Ein Donnern hallte durch den Tunnel, als würde die Erde vor Schmerz stöhnen. Ich duckte mich, als Staub durch die Luft wirbelte.
»In Sholas Namen – was war das?«, fragte Ryko mit halb gezogenem Schwert.
Ich hustete und räusperte mich. »Ein Erdbeben?«
Er spähte den Weg zurück, den wir gekommen waren. »Möglich. Aber gehen wir – ich werde mich besser fühlen, wenn wir wieder an der Erdoberfläche sind.«
Wir zogen weiter. Schließlich hob Ryko seine Kerze und wies nach oben. Ein dickes goldenes Band lief über die Decke und an den Wänden hinunter. Es erinnerte mich an die kaiserliche Audienzlinie im Zeremonienhof.
»Diese Linie zeigt den Verlauf der Haremsmauer an«, sag te er. »Wir sind fast da.«
Schweigend traten wir durch den goldenen Grenzbogen. Ryko beschleunigte seine Schritte, und ich mobilisierte tief in mir schlummernde Energien, um ihm unbeholfen nachzutraben. Mein Schwert schien so viel zu wiegen wie ein Mann. Ryko wurde noch schneller und ich zwang mich zu rennen. Der gedämpfte Tritt unserer Füße und mein rasselndes Keuchen waren die einzigen Geräusche. Dann blieb Ryko so plötzlich stehen, dass ich ausweichen musste, um nicht in ihn hineinzurennen. An die Stelle des Teppichs war unvermittelt wieder rauer Steinboden getreten.
Ich krümmte mich über mein Schwert und atmete tief und pfeifend ein.
»Vielleicht solltet Ihr besser hier warten, während ich Lady Dela suchen gehe«, sagte Ryko, als er mich japsen sah.
Ich schüttelte den Kopf. »Hier werde ich nicht bleiben«, brachte ich zwischen zwei schnaufenden Atemzügen hervor.
»Ich könnte Euch dazu zwingen.«
Ich richtete mich auf. Inzwischen fiel mir das
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