Drachentochter
schob mein Schwert beiseite. »Ryko, was hast du getan?«
»Er hat auf mich eingestochen«, sagte Lady Dela und öffnete die Augen. Ihr Blick war trüb. »Dieser Dummkopf.«
»Ihr seht aus wie einer von Sethons Männern«, erwiderte Ryko mit zusammengebissenen Zähnen.
»Du auch«, antwortete sie trocken.
»Nicht bewegen.« Er hob den Harnisch an, schnitt mit dem Messer hinein und trennte die gefütterte Weste auf.
Ihre Schultern zuckten zurück – sei es vor Schmerz, sei es wegen des grellen Lachens, das sie unvermittelt durchfuhr. »Er stattet seine Männer nicht gerade gut aus.«
»Ihr habt bloß eine leichte Rüstung gestohlen«, sagte Ryko und arbeitete sich behutsam durch das durchnässte Material. »Ihr hättet Euch an einen Schwertmann halten sollen, wie ich es getan habe. Die bekommen Eisen und Leder.« Er schob die Polsterung beiseite und unter dem Schultergelenk tauchte eine hässliche Wunde auf.
»Beim nächsten Mal werde ich daran denken«, murmelte Lady Dela. »Hast du gesehen, dass sie den Harem gestürmt haben? Es war Ido – da bin ich mir sicher. Bestimmt hat er seine Macht dafür benutzt. Es war, als würde die Mauer einfach einstürzen. Wie bei einem Erdbeben.«
Ich warf Ryko einen raschen Blick zu. »Das muss der Donner gewesen sein, den wir gehört haben.«
Er nickte. »Überprüft die Gasse. Vergewissert Euch, dass wir noch immer allein sind.«
Ich kroch ans Ende der Ballen. Die Gasse war leer, führte aber auf einen Platz hinaus, an dessen anderem Ende eine Gruppe dunkler Gestalten unterwegs war. Es handelte sich um vier Soldaten, die zwei Frauen mit sich zerrten. Sie schienen zum nächsten Abschnitt des Harems unterwegs zu sein, dorthin also, von wo das Schreien und Jammern kam. Ein schwaches Leuchten, das von einem Feuer oder dem Licht sehr vieler Fackeln herrühren musste, erhellte den Himmel.
Ich zog mich zurück. Ryko warf mir einen fragenden Blick zu.
»Vier Soldaten mit Gefangenen, aber auf der anderen Seite des Platzes. Sie dringen tiefer in den Harem vor.«
»Es sind so viele Soldaten«, sagte Lady Dela. »Keiner wollte auf mich hören, und ich konnte Lady Jila nicht finden.« Sie griff meinen Arm, und ihre blutigen Finger glitten an meiner Seide ab. »Ich habe Sethon gesehen. Er hält sie und das Baby im Garten der Schönheit und Anmut fest. Wir müssen etwas unternehmen.«
Ryko nahm meine Hand, presste sie auf die feuchte Wärme der Wunde und kümmerte sich nicht um Lady Delas gequältes Aufstöhnen. »Fest draufdrücken.«
Die Lady hob den Kopf. »Habt Ihr das Buch?«
»Ja«, erwiderte ich.
»Gut. Sehr gut.« Es fröstelte sie. »Ich habe Eure Schwerter genommen, damit sie nicht in die falschen Hände geraten. Sie liegen dort.« Sie schloss die Augen. »Entschuldigung.« Ihre Stimme war schwach.
Ich fasste neuen Mut, als ich meine Waffen unter dem heruntergestürzten Ballen liegen sah. Ich brauchte ihren Zorn, der meine Angst verbrennen würde. Vor allem, falls Lord Ido in der Nähe war. Ryko hatte derweil ein kleines Fläschchen aus der Bauchtasche gezogen und ließ ein Pulver, das nach Schwefel stank, über die Wunde rieseln.
»Lady Dela«, fragte ich, »habt Ihr Lord Ido gesehen? Ist er auch im Harem?«
Sie nickte schwach und rümpfte die Nase, weil es nach faulen Eiern roch. »Ich denke ja. Wie kann er seine Macht für einen Krieg einsetzen? Hat er nicht einen Eid geschworen, genau das nicht zu tun? Der Drachenrat hat ihm das bestimmt nicht erlaubt.«
»Ich furchte, es gibt keinen Drachenrat mehr.«
Sie runzelte die Stirn und ihre Augen schienen in die Ferne zu gleiten. Ryko hockte sich neben mich und wies auf meine Robe.
»Ich brauche Verbandszeug. Darf ich etwas von Eurer Sei de abschneiden?«
Ich nickte.
»Beschädigt die Harmonierobe nicht«, protestierte Lady Dela schwach.
Ryko stöhnte gereizt, doch ich sah den Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht. Ich spürte, wie er meine schwere Robe aufschlug und mit einem Ruck das dünne Seidenfutter herausriss. Auch hatte ich das Gefühl, dass immer weniger Blut zwischen meinen Fingern hervorquoll.
»Hoch mit Euch«, sagte Ryko, richtete Lady Dela behutsam auf und befahl mir mit einer Kopfbewegung, nicht länger auf die Wunde zu drücken. Ich hielt sie an der Taille aufrecht, während er ihr geschickt die zusammengefaltete Seide auf die Schulter legte und die Wunde fest verband. »Ihr müsst die Verletzung rasch von einem Arzt behandeln lassen«, sagte er. »Sie blutet noch immer.«
Sie prüfte den
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