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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Ende des Saals. Ihre Zeremonienschwerter hatten sie vor sich hingelegt, wobei die Spitze der einen Waffe den Griff der anderen berührte. In der Reihe gab es noch drei Lücken, für Dillon, Baret und mich. Bei der Auslosung der Reihenfolge hatte Schwertmeister Ranne mich an vierter Stelle gezogen – eine Unglückszahl, an die ich vermutlich nicht zufällig geraten war. Alle Anwärter hatten die Augen geschlossen und das gelbliche Licht ließ ihre Gesichter wie Totenmasken erscheinen. Mich fröstelte, und ich wandte mich dem beruhigenden Sonnenlicht zu, das über eine breite Rampe vor mir in den Saal fiel. Jenseits dieser Rampe wartete der grelle Sand der Arena.
    Ein dünner junger Mann, der eine rote Feder an sein graues Gewand geheftet hatte, kam auf uns zu. Er musterte mich so rasch wie neugierig und verbeugte sich dann tief.
    »Heuris Brannon, Anwärter Eon – ich bin Van, Ratsbeamter sechsten Grades«, sagte er leise. »Ich bin hier, um Euch heute zur Hand zu gehen. Kommt bitte hier entlang, um Eure Zeremonienschwerter zu empfangen.«
    Ich schluckte, um meinen staubtrockenen Mund ein wenig zu befeuchten. Ich wollte diese Schwerter nicht wieder halten. Vor einer Woche hatte Ranne uns zur großen Waffenkammer des Rats geführt, um uns mit den edlen Schwertern auszustatten, die nur zum zeremoniellen Gebrauch bestimmt waren. Ich war als Letzter dran gewesen, und der alte Waffenmeister, dem eine mächtige Narbe quer über die Wange lief, hatte lange gebraucht, um die richtigen Schwerter für mich zu finden. Der Alte hatte Ranne und die übrigen Anwärter, die seufzten und unruhig von einem Bein auf das andere traten, beharrlich ignoriert und mich Paar für Paar der mit prächtigen Juwelen besetzten Schwerter mit der Spitze nach unten halten lassen, um deren Länge und Gewicht im Verhältnis zu meinem schiefen Körper zu taxieren. Zuletzt hatte er mit gerunzelter Stirn in die halbdunklen Tiefen der Waffenkammer geblickt und war für einige Minuten verschwunden, um mit einem schlichteren Schwerterpaar wiederaufzutauchen. Die beiden Parierstangen schmückte eine einfache Zierleiste aus Mondsteinen und Jade, die sich abwechselten und in sichelförmiges Silber gefasst waren.
    »Das sind mächtige Glücksbringer«, hatte er gesagt und mit seinem dicken Daumen über die funkelnden Edelsteine gestrichen. »Die beiden sind schon lange nicht mehr benutzt worden, denn sie sind für die meisten zu kurz und zu leicht. Aber Euch werden sie gute Dienste leisten.«
    Er hatte sie mir hingehalten und ich hatte die Hände um die mit Leder umwickelten Griffe geschlossen. Tosende Wut war über mich hinweggebrandet, hatte mich mit grell aufflammendem Licht geblendet und meinen Mund mit einem strengen metallischen Geschmack erfüllt. Es war ein bösartiger Zorn gewesen, mächtig und kalt, doch seinen Kern hatte eine sehr, sehr große Angst gebildet. Waren das tatsächlich meine Gefühle gewesen? Erschrocken hatte ich die Schwerter losgelassen und sie waren klappernd auf den Marmorboden gefallen.
    »Dummkopf.«, hatte Ranne gebrüllt und mit erhobenen Fäusten auf mich losgehen wollen.
    Der Waffenmeister war ruhig zwischen uns getreten. »Es ist nichts passiert, Schwertmeister«, hatte er gesagt, die Waffen aufgehoben und mich nachdenklich gemustert, als er sie in einen großen Holzständer räumte. »Sie müssen sehr alte Energien besitzen.«
    Ich öffnete den Mund, um zu sagen, ich wolle sie nicht, doch er hatte sich bereits verneigt und sich in die Schatten seines Reichs zurückgezogen.
    Auf dem Weg zurück in die Schule hatte ich mich gefragt, wer einen derartigen Hass und Drang nach Gewalt auf den Stahl übertragen hatte. Es gehört zur Kunst der Drachenaugen, Gegenständen die Fähigkeit zu geben, Energie aufzunehmen oder abzulenken. Manche Gegenstände nahmen die positive Energie in unserer Umgebung – das Lin Hua – auf, und andere lenkten die negative Energie – das Gan Hua – so ab, dass der Strom des Glücks verbessert und in bestimmte Richtungen dirigiert werden konnte. Doch ich hatte nie gehört, dass Zorn in ein Ding eingesenkt worden sei. Dahinter musste ein mächtiges Drachenauge stecken. Oder es war aus Versehen geschehen. Aber egal, wie es dazu gekommen war: Es widerstrebte mir, die Schwerter erneut zu berühren.
    Ich folgte meinem Meister und Van zu einer gewölbten Tür in der Nähe der Rampe. Die gedrungene Gestalt von Heuris Bellid versperrte kurz den Durchgang und bewegte sich dann unbeholfen in die Hauptkammer

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