Drachentochter
zurück. Dillon folgte ihm mit zwei großen Schwertern in den Händen. Er hatte bläuliche Ringe unter den Augen und sein Gesicht war von Hungerbläs se gezeichnet. Sah auch ich so erschöpft aus? Jedenfalls hatte ich das Gefühl, schon eine leichte Berührung würde mich zerbrechen wie einen wintertoten Ast.
»Ist das wahr? Du wirst den Dritten Spiegeldrachen nicht fechten?«, fragte er, als wir aneinander vorbeigingen.
Ich nickte und sah etwas über sein Gesicht huschen.
Erleichterung.
Ich blickte ihm nach und ein trockener Schmerz schnürte mir die Kehle zu. Die Erleichterung galt nicht mir, sondern ihm. Ich war nicht länger ein ernst zu nehmender Rivale um die Gunst des Rattendrachen.
Ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Angst ließ uns alle engherzig werden.
Die Waffenkammer der Arena war ein kleiner, höhlenartiger Raum, der von einem Holzständer für vierundzwanzig Schwerter dominiert wurde, dessen Halterungen mit feinem Leder gepolstert waren. Nur zwei Schwerterpaare waren noch nicht abgeholt, meins und das von Baret. Neben dem Ständer stand wieder der Alte, der meine Schwerter ausgesucht hatte. Sofort nahm er die Waffen aus der Halterung und reichte sie mir – die Griffe voraus – entgegen.
»Also los Junge«, sagte er, und diese Vertraulichkeit trug ihm sofort Vans missbilligendes Räuspern ein.
Ich biss die Zähne zusammen, als ich die Griffe erneut in die Hand nahm. Ich spürte einen leichten Metallgeschmack im Mund, doch der Zorn blieb aus. Stattdessen spürte ich eine andere Art Energie lauern wie die erwartungsvolle Stille zwischen zwei Atemzügen.
»Diesmal ist es nicht so schlimm, was?«, fragte der Alte.
»Woher wusstet Ihr das?«, flüsterte ich.
Er lächelte und die weiße Haut um seine Narbe herum spannte sich. »Ein gutes Schwert ist eine Verlängerung seines Meisters.«
»Zurück auf Euern Posten«, befahl ihm Van, den dieser Verstoß gegen das Protokoll in helle Wut versetzt hatte. »Anwärter Eon, kommt bitte hier entlang.«
Ich wollte den alten Mann fragen, wer die Schwerter vor mir benutzt hatte, doch Van drängte mich aus der Kammer. Ich klemmte mir die Klingen mit der stumpfen Seite nach oben unter die Arme und folgte meinem Meister.
Draußen warteten Heuris Kane und Baret darauf, die Kammer zu betreten. Baret lehnte an der Wand. Sein athletischer Körper und sein glattes Patriziergesicht strahlten reine Überheblichkeit aus. Mein Meister verbeugte sich und war darauf bedacht, an den beiden vorbeizukommen, doch Kane hielt ihn an, indem er ihm die Hand auf den Arm legte.
»Brannon«, sagte Kane leise, »ich würde gern mit Euch reden.« Er schnippte mit den Fingern Richtung Van und der junge Mann entfernte sich eilig.
»Ja, Heuris Kane?«, erwiderte mein Meister. Seine steife Förmlichkeit zeigte, wie wenig ihm an dem Gespräch lag.
Baret grinste mich mit verschränkten Armen an, und obwohl seine Hände nur halb sichtbar waren, entging mir nicht, dass er mit ihnen das Zeichen zur Abwehr des Bösen machte.
»Ich habe gehört, Eon wird heute eine alte Variante der Sequenz fechten«, sagte Kane und musterte mich so durchdringend, dass ich vom einen Fuß auf den anderen trat. Er blinzelte zu oft – und seltsamerweise stets dreimal.
Mein Meister neigte den Kopf. »Das habt Ihr richtig gehört. Es handelt sich um eine Variante aus der vierten Chronik von Detra.«
Ein verschmitztes Lächeln trat auf Kanes dünne Lippen. »Ich bin mir sicher, dass Eure Beweisführung in der Sache lückenlos ist.« Seine kleinen Augen zwinkerten schnell und er warf einen raschen Blick auf mein lahmes Bein. »Man fragt sich natürlich, wie die Abwandlung der Sequenz aufgenommen werden wird, die nicht nur den Kaiser, sondern auch den Verlorenen Drachen ehrt.«
»Der Drachenrat hat die Variante für zulässig erklärt«, erwiderte mein Meister schnell.
Kane winkte ab. »Das habe ich gehört. Aber der Drachen rat hat in dieser Angelegenheit nicht das letzte Wort, nicht wahr?« Er verbeugte sich. »Ich wünsche Euch und Eon Glück.« Mit diesen Worten ging er in die Waffenkammer.
Als Baret an mir vorbeikam, flüsterte er: »Du hast keine Chance, Eon-jah. Du bist schwach wie ein Mädchen.«
Er war schon in der Waffenkammer, bevor ich seine Worte begriff. Seine höhnische Bemerkung beruhte nicht auf echtem Wissen, doch sie traf mich tief und rüttelte an den Grundfesten meiner Selbstkontrolle.
Van kam zu uns geeilt. Er sagte etwas, doch die Laute ergaben keinen Sinn. Ich starrte zu der
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