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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Könnt Ihr sprechen?« Die Stimme der Hofdame war tief und klangvoll.
    Ich stützte mich auf einen Ellbogen. In meinem Kopf hallte die Macht des roten Drachen schmerzhaft wider und alles tat mir weh. Ich lag in einem Bett, einem echten Bett, nicht bloß auf einer Matte. Es war so breit wie drei Pritschen und die Seitenbretter waren schwarz lackiert. Ein schweres gelbes Seidentuch war über mich gebreitet. Es rutschte ein Stück nach unten, als ich mich bewegte, und mir wurde sofort kalt an Hals und Schultern. Ich sah an mir hinab: Ich trug das rote Gewand nicht mehr, sondern nur ein weites, ärmelloses Nachthemd, das mir zu groß war. Hastig zog ich das Tuch wieder hoch. Hatte diese Frau mich entkleidet? Hatte sie mich nackt gesehen?
    »Braucht Ihr Eure Kammerdienerin?« Die Hofdame schnippte mit den Fingern und die Gestalt trat aus dem Halbdunkel.
    Rilla.
    Sie sollte meine Dienerin sein?
    »Ihr solltet ein wenig Wasser trinken«, sagte die Hofdame. Sie bedeutete Rilla, zu einer langen Kommode unter dem Fenster zu gehen, dessen Läden geschlossen waren. Im rötlichen Glühen eines kleinen Kohlebeckens war der vertraute Umriss eines Wasserkrugs zu sehen.
    Ich war nicht im Haus meines Meisters. Wo aber war ich?
    Rilla verneigte sich und reichte mir eine kleine goldene Trinkschale, in die eine Päonie eingraviert war. Warum gab sie mir den Becher eines Edelmanns? Wollte sie, dass ich bestraft wurde? Ich wollte ihr den Becher wieder in die Hand drücken, sah dann aber die vielen Verbrennungen und Blasen an ihren Fingern.
    »Was ist pas–«
    Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf und schob mir den Becher erneut zu.
    »Danke.« Ich hatte so lange nicht gesprochen, dass meine Stimme heiser klang. Wie lange war ich bewusstlos gewesen? Ich nahm erst einen kleinen Schluck und trank den Becher mit kaltem Wasser dann rasch in großen Zügen leer.
    »Das genügt fürs Erste«, stellte die Hofdame mit sanftem Tadel fest. »Die Ärzte sagen, Ihr müsst langsam trinken, da Euer Körper die Flüssigkeit sonst verweigert.«
    Rilla verbeugte sich erneut und brachte den leeren Becher zur Kommode zurück. Die Hofdame gab dem Flehenden ein Zeichen, seinen leisen Gesang abzubrechen, und erhob sich anmutig von ihrem Sitz. Sie sank auf ein Knie und verneigte sich, wobei sie die schmalen Hände gefaltet an eine Hüfte legte.
    »Lord Eon«, sagte sie, »nun, da Ihr Euch erfrischt habt, fragt Ihr Euch sicher, wo Ihr seid. Dies sind die Päonien gemächer, Gastgemächer im Kaiserlichen Palast. Ich bin Lady Dela und habe die Ehre, Euch im Palast willkommen zu heißen und Euch mit dem höfischen Protokoll vertraut zu machen.«
    Lord Eon? Im Palast?
    »Was …« – ich räusperte mich – »… was habe ich hier verloren?«
    Sie richtete sich auf und ich sah ihr Gesicht im Schein einer beschirmten Öllampe. Ihre raue Haut war mit viel weißer Salbe abgedeckt. Sie hatte einen kantigen Schädel und hohe, vorspringende Wangenknochen. Ihre dunklen, schwarz geschminkten Augen lagen tief in den Höhlen und ihre Brauen waren dünn und elegant geschwungen. Die gekrümmte Nase zeigte, dass ihre Vorfahren zu den Östlichen Stämmen gehört hatten. Ihr Mund war üppig und nach oben geschwungen, was darauf hindeutete, dass sie Humor besaß. Ihr energisches Gesicht war nicht schön, sondern eher erhaben wie das eines Raubvogels.
    Doch was meine Augen magisch anzog, war die große schwarze Perle, die an einer goldenen Nadel hing, die quer durch die Haut an ihrer Kehle gefädelt worden war. Die Perle bedeckte den Adamsapfel, der deutlich ausgeprägt war und nach oben hüpfte, wenn sie schluckte.
    »Könnt Ihr Euch an die Zeremonie erinnern, Mylord?«, fragte sie, und die Perle bebte beim Sprechen.
    Plötzlich schossen mir die Hitze und meine Schmerzen in der Arena wieder ins Bewusstsein, und unvermittelt stand mir das Bild vor Augen, wie meine Hände die Perle umklammerten, während der Drache über mir aufragte. »Ich weiß noch, dass der Drache über den Sand auf mich zugekommen ist.«
    Sie nickte. »Der Verlorene Drache. Ihr seid das neue Spiegeldrachenauge – das erste seit mehr als fünfhundert Jahren. Seine Kaiserliche Hoheit hat die Rückkehr des Spiegeldrachen zu einem überaus glücksverheißenden Zeichen erklärt.«
    »Ich? Ein Drachenauge?«, wiederholte ich. »Aber ich bin doch bloß Anwärter.«
    »Ja, wegen Eurer Jugend und Unerfahrenheit gab es eini gen Widerstand im Drachenrat, aber nach langem Hin und Her haben die Mitglieder Euch dieses Amt

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