Drachentochter
klar zu verstehen gegeben, dass sie deine Gemächer unter keinen Umständen betreten dürfen«, erwiderte Rilla.
Sie öffnete ein Badetuch und hielt es hoch.
»Du solltest das mit deinen wunden Händen nicht tun«, sagte ich.
»Mir geht’s gut. Und jetzt komm, wir müssen dich abreiben und anziehen.«
Ich ließ mich in die angenehme Wärme des Badetuchs hüllen und schlang es um mich.
»Ist das angewärmt worden?«, fragte ich und strich über die dicke Baumwolle.
»Natürlich«, gab Rilla zurück und rubbelte mir durch das Tuch hindurch den Rücken trocken. »Glaubst du, ich ließe es zu, dass das neue Drachenauge einen kalten Hintern kriegt, wenn es aus dem Bad kommt? Nie und nimmer.«
Wir sahen uns an und lachten.
Als ich trocken war, wickelte Rilla mich in ein frisches Badetuch, ölte meine Haare, flocht sie zu Zöpfen und steckte sie mir flink zu einer kurzen Variante des Doppelbogens der Drachenaugen hoch.
»Besser bekomme ich es nicht hin«, sagte sie, trat einen Schritt zurück und begutachtete ihr Werk.
»Woher weißt du, wie man das macht?«, fragte ich.
Sie lächelte. »Ich war Kammerdienerin des Meisters, als er noch Tigerdrachenauge war. Das ist zwar inzwischen ziemlich lange her, aber an die Frisur erinnere ich mich noch.« Sie glättete eine widerspenstige Welle an meinem Ohr und ihr Lächeln wurde breiter. »Heutzutage braucht der Meister natürlich keinen Friseur mehr.«
Ich unterdrückte ein weiteres Kichern. Lords kicherten nicht. »Er wird dich dennoch vermissen«, sagte ich.
Sie wich meinem Blick aus und der unbeschwerte Moment war vorbei. »Vielleicht. Aber er sah darin eine Möglichkeit, dich hier zu beschützen. Nur darauf kommt es an. Und Irsa hat schon lange auf eine Chance gewartet, sich zu verbessern.« Sie nahm das nasse Badetuch und schüttelte es kräftig aus. »Dem Meister wird es an nichts fehlen.«
Sie öffnete die Tür und ging mir durch den schmalen Flur voraus in ein benachbartes Ankleidezimmer. Es war kaum mehr als eine Kammer mit einem großen Kleiderschrank, dessen offene Schiebetür den Blick auf Stapel weißer Unterwäsche und gefalteter Kniehosen freigab. Daneben war ein schäbiger Korb an die Wand gerückt, der meine alten Habseligkeiten aus dem Haus des Meisters enthielt. Mein bestes Gewand und meine schönste Hose, deren ausgeblichener schwarzer Stoff die ordentlichen Flicken deutlich erkennen ließ, lagen gefaltet obenauf.
Rillas Blick war meinem gefolgt. »Das ist gestern gekommen. Ich wusste nicht, was du davon behalten willst.«
Das plötzliche Bedürfnis, meine alten Sachen zu berühren, ließ mich zum Korb eilen. »Wo sind die Totentafeln meiner Vorfahren?«, fragte ich stöbernd. »Ich muss einen Altar errichten. Ich muss sie ehren.« Ich grub tiefer. »Ich brauche ihren Schutz.«
Rilla kam mir nach und brachte mich mit sanfter Hand da zu, mit dem fieberhaften Wühlen aufzuhören. »Sie sind da. Sicher am Boden des Korbs verwahrt. Ich habe sie selbst eingepackt. Und ich werde den Altar für dich errichten.« Sie zog mich behutsam von den Sachen weg. »Einverstanden?«
Ich nickte, wandte mich vom umgestürzten Korb ab und fand mich vor einem großen Spiegel in der gegenüberliegenden Ecke wieder. Ich kümmerte mich nicht um mein bleiches Antlitz, sondern konzentrierte mich auf den Holzständer daneben, der wie der Torso eines Mannes geformt war und auf dem ein herrliches Gewand hing. Es war dreiviertellang und in seine prächtige smaragdgrüne Seide waren Pfauen, Schmetterlinge, Blumen und ein großer Wasserfall gewoben, aus dem Goldfische sprangen.
»Soll ich das anziehen?«, fragte ich ganz erschrocken.
Rilla nickte.
»Aber das ist eine Geschichtenrobe.«
Solche Gewänder hatte ich Adlige auf ihrem Weg zu höfischen Festen tragen sehen. Diese unschätzbaren Kunstwerke wurden vom Vater auf den Sohn vererbt und waren oft ein ganzes Landgut wert.
»Sie wurde abgegeben, als du gebadet hast«, sagte Rilla und schloss die Tür. »Ein Geschenk des Kaisers. Er hat es selbst für dich ausgesucht. Es heißt: ›Ein Sommerwasserfall bringt der Seele Harmonien‹.« Sie senkte ehrfürchtig die Stimme. »Es ist sogar für dich umgeändert worden. Kannst du dir vorstellen, wie viel Arbeit darin steckt?«
»Es ist vom Kaiser?« Vorsichtig berührte ich einen weiten Seidenärmel am Saum. Tief in mir wusste ich, dass es wunderbar, aber auch gefährlich war, vom Himmlischen Meister ein solches Geschenk zu empfangen.
Rilla ging zum Kleiderschrank, nahm eine
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