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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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öffnete einen Fächer, der ihr an einem Band ums Handgelenk hing, und bewegte ihn vor ihrem Gesicht leicht hin und her. Ihre Augen über der zart bemalten Oberkante des Fächers nahmen einen Ausdruck kühler Berechnung an. »Nun, da Euch die Harmonierobe gehört, solltet Ihr ihre Geschichte erfahren. Wenn wir noch Zeit haben, werde ich sie Euch vielleicht am Ende unserer Übungsstunde erzählen.« Sie klappte den Fächer energisch zu. »Bevor wir fortfahren, gibt es noch eine Sache, derer wir uns annehmen müssen.« Sie wandte höflich den Kopf ab und wies mit dem Fächer auf den Beutel an meiner Schärpe. »Ryko, vielleicht könnt Ihr Lord Eon zur Hand gehen?«
    Der Wächter kam zu mir geeilt.
    »Mylord, darf ich vorschlagen, den Beutel unter der Schär pe zu tragen?«, sagte er. »Der Kaiser hat kürzlich verfügt, dass Hofdamen der Anblick solcher notwendigen Instrumente erspart bleiben möge. Erlaubt mir, Euch behilflich zu sein.«
    Er löste den Knoten und schob den Lederbeutel rasch unter meine steif gefältelte Schärpe.
    Ich lief tiefrot an. »Das wusste ich nicht.«
    Er verbeugte sich. »Mylord, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr Euch in allen Fragen an mich wenden würdet, bei denen es …« – er senkte die Stimme – »… um das Leben der Schattenmän ner bei Hofe geht.«
    Sein offener, warmherziger Blick beschämte mich. »Danke«, flüsterte ich.
    Ryko nickte knapp und zog sich wieder an die Tür zurück.
    Lady Dela wirbelte wieder zu mir herum, und ihr Gesicht strahlte fast zu sehr. »Nun, Mylord, was habt Ihr bisher gelernt?«
    Ich wiederholte, was sie mich gelehrt hatte.
    »Sehr gut. Ich bin über Eure rasche Auffassungsgabe sehr froh. Der neue Lehrling des Rattendrachenauges ist gegenwärtig zu verängstigt, als dass er etwas im Kopf behalten könnte. Das arme Kind.«
    »Sprecht Ihr von Dillon?« Ich trat einen Schritt vor. »Habt Ihr ihn gesehen?«
    »Natürlich. Ihr hättet eigentlich zusammen unterrichtet werden sollen«, sagte Lady Dela sanft. »Ich habe ihn bereits in das höfische Protokoll eingeführt. Ist er ein Freund von Euch?«
    Ich sah, dass sie mein Zögern bemerkte.
    »Ja«, sagte ich schließlich. »Darf ich ihn besuchen?«
    Es wäre gut, Dillon zu sehen und unser Verhältnis zu bereinigen; sein kleiner Verrat bedeutete inzwischen nichts mehr. Wir hatten beide gewonnen. Und ich wollte seine Mie ne sehen, wenn er mich in einer Geschichtenrobe erblickte.
    »Er ist in seiner Drachenhalle, Mylord. Aber Ihr werdet ihn heute Abend beim Bankett sehen. Es ist eine Begrüßung für ihn wie für Euch und er wird offiziell der dritte Ehrengast sein. Vielleicht gelingt es mir, die Sitzordnung so zu gestalten, dass Ihr während des Fests mit ihm sprechen könnt. Wäre Euch das recht?«
    »Ja, sehr.«
    »Dann wäre das geklärt«, sagte sie, und ich spürte, dass ich mich auf einen Handel eingelassen hatte, ohne den Preis zu kennen. »Nun lasst uns fortfahren. Wenn Ihr Euch vom Kaiser oder einem seiner Verwandten zurückzieht, dürft Ihr ihnen nie den Rücken zukehren. Das wäre ein tödlicher Frevel. Ihr müsst lernen, wie man ein Zimmer rückwärts verlässt. Kommt, lasst uns das üben.«
    Es war eine lange Lektion. Wir legten eine Pause ein, als Rilla uns Tee und Mondkekse brachte, und Lady Dela machte die kleine Stärkung zu einem Bestandteil meines Unterrichts. Sie zeigte mir, wie ich in der Geschichtenrobe zu knien und Tee auf die förmliche Weise des Adels zu trinken hatte – ich musste darauf achten, welcher Gast zuerst aus seiner Porzel lanschale trank, wann man die winzigen Festkekse essen durf te und was es bei jedem Schritt des Rituals zu sagen galt. Ob wohl ich – wie die Zeremonie es vorschrieb – nur zwei Stück von dem wunderbaren Zimtgebäck aß, lagen sie mir schwer im Magen.
    Nachdem ich schließlich die förmlichen und weniger förmlichen Begrüßungen und den Kotau mit Rückwärtsbewegung erlernt hatte, mit dem man sich aus der Gegenwart des Kaisers zurückzog, nickte Lady Dela anerkennend.
    »Das genügt für heute, denke ich«, sagte sie. »Ihr habt Euch sehr gut geschlagen.«
    Ich verbeugte mich knapp und war erleichtert, dass der Unterricht vorbei war. Aber ich ahnte, dass ein sehr großes Problem auf mich wartete.
    »Mylady, Ihr werdet mich für sehr dumm halten«, sagte ich, »aber ich habe die Mitglieder der kaiserlichen Familie und die Drachenaugen immer nur aus der Ferne gesehen. Daher weiß ich nicht, wem gegenüber ich mich wie verbeugen soll.«
    Sie schüttelte

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