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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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sehen zu können. Das gut aussehende Hasendrachenauge stand allein da und sein rosafarbenes Gewand und die fahle Haut stachen von den dunkelgrünen Bäumen hinter ihm ab. Er bemerkte den musternden Blick meines Meisters und nickte.
    »Er ist meinem Blick nicht ausgewichen«, murmelte mein Meister. »Vielleicht ist das ein gutes Zeichen.«
    »Wovon versucht Ihr Lord Ido abzuhalten?«, fragte ich.
    »Nicht so laut.« Er legte mir warnend die Hand auf die Schulter. »Lass das meine Sorge sein. Ich sage es dir schon, falls du Bescheid wissen musst.«
    Ich sah auf meine Füße. Wie sollten wir dieses tückische Spiel überleben, wenn er mich über seine Pläne und Vorgehensweisen im Unklaren ließ? Hatte er vergessen, dass wir auf Leben und Tod vom Tun und Lassen eines jeden von uns beiden abhingen?
    Ich schüttelte seine Hand ab. »Nein«, sagte ich leise, und dieser Mut versetzte meinen Magen in Aufruhr. »Woher wollt Ihr wissen, wann es notwendig ist? Ihr seid nicht ständig in meiner Nähe. Ich muss begreifen, was vorgeht, wenn ich meine Rolle richtig spielen soll.«
    Seine Augen wurden schmal, doch ich zwang mich, seiner Wut standzuhalten.
    »Auch Lord Tyron weiht Hollin in seine Pläne ein«, fügte ich hinzu.
    Wir standen einen Moment lang reglos da und maßen unsere Willenskraft in einem schweigenden Ringen.
    Schließlich seufzte mein Meister. »Ja, du hast recht.«
    Mein Sieg erstaunte mich. Er nahm mich am Ärmel und zog sich vorsichtig mit mir zurück, um zwischen uns und den nächst stehenden Drachenaugen mehr Abstand zu schaffen.
    »Ido will den Drachenrat dazu bringen, seine Macht Sethon und dessen Armee zu Füßen zu legen«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. »Wir glauben, Herrschendes Drachenauge Ido plant, dem Drachenrat die Macht dann so lange vorzuenthalten, bis Sethon das Recht des Unglücks ins Feld führen und an die Stelle seines Bruders treten kann.«
    Ich sah meinen Meister an und versuchte zu begreifen, was er gesagt hatte. Der allererste Kaiser, der Vater der Tausend Söhne, hatte das Recht des Unglücks verkündet, um das Land vor einem Herrscher zu schützen, der die Gunst der Götter verloren hatte. Wenn sich während der Regentschaft eines Kaisers zu viele Erdbeben oder Überschwemmungen ereigneten, konnte er durch einen Herrscher ersetzt werden, dem die Götter gewogener waren.
    »Hat Ido demnach vor, den Drachenaugen die Herrschaft über die Monsunstürme und Erdbeben zu nehmen?« Blanker Schrecken ließ mich die Stimme heben. Die schlimmste Jahreszeit mit ihren Überschwemmungen, Stürmen und Erdstößen stand kurz bevor. Es war die heilige Pflicht der Drachenaugen, das Land und seine Bevölkerung vor Schaden zu bewahren.
    Mein Meister zog mich noch weiter von den anderen weg und mahnte mich mit einem Blick zur Vorsicht. »Genau das hat er vor. Und es gibt gute Gründe für die Befürchtung, dass er überdies den Treueeid brechen und Sethon Drachenmacht für seine Kriege anbieten will.«
    Ich schnappte nach Luft. Es war verboten, bei kriegerischen Auseinandersetzungen Drachenmacht einzusetzen. Die Drachen waren dazu da, um zu nähren und zu schützen, nicht, um zu zerstören. Ich schluckte, während ich mir vorstellte, was die unbändige Gewalt der Drachen in der Hand eines einzelnen ehrgeizigen Mannes anrichten konnte. Drachenrat und Treueeid waren dazu gedacht, solchen Wahnsinn zu verhindern.
    Mein Meister tätschelte mir den Arm. »Ich weiß. Aber ich arbeite mit Tyron und anderen daran, Ido aufzuhalten. Und du unterstützt uns dabei am wirkungsvollsten, indem du so rasch wie möglich lernst, deine Kräfte zu beherrschen.« Er sah mit einem Ruck auf. »Ah, da ist ja unser Gastgeber.«
    Wie Sonnenblumen sich der Sonne zuwenden, so blickten alle Versammelten in die gleiche Richtung, um Lord Ido über den Hof kommen zu sehen. Ich versuchte, diesem Drang zu widerstehen, vermochte mich seiner Präsenz aber nicht zu entziehen. Er überragte alle anderen um mehr als eine Haupteslänge, und als er die Reihe der Wartenden abschritt und sich dabei immer wieder leicht vorbeugte, um ein paar rasche Worte zu wechseln oder eine Verneigung zu erwidern, war es allein schon seine Körpergröße, die ihm eine Aura von Autorität verlieh. Der dunkle Glanz des geölten Barts und die fest geflochtenen, zum Halbkreis hochgesteckten Zöpfe passten zum tiefen Blau seines Drachengewands. Der schlanke Dillon folgte ihm in einer gleichfarbigen Robe. Seine missmutige Miene, die so gar nicht

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