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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Ich wandte mich ihm zu und sah Dillon hinter seinem Meister stehen. Unsere Blicke trafen sich kurz, doch es kam keine Verbindung zustande, da in seinen Augen nur nacktes Elend stand.
    »Willkommen«, begann Lord Ido. »Zum ersten Mal seit über fünfhundert Jahren sind wir wieder zu zwölft und müssen im Jahr des Spiegeldrachen nicht länger ohne Herrschendes Drachenauge auskommen. Das Fehlen der Macht im Osten wird die Arbeit des Rats nicht mehr behindern. Die ruhmreiche Wiedererweckung des Spiegeldrachen durch Lord Eon hat unseren Kreis aufs Neue geschlossen. Wir sind endlich wieder vollzählig.«
    Lord Dram, das Pferdedrachenauge, lächelte mich an und schlug dann mit beiden Handflächen auf den Tisch. Die anderen Lords taten es ihm eilends nach. Der Applaus ließ mich erröteten, und ich verbeugte mich erst einmal, dann ein zweites Mal, während das Trommeln die Tischplatte zum Zittern brachte.
    Lord Tyron sah sich nach Hollin um, der hinter ihm stand. »Sei froh, Junge. Diesmal nämlich wäre dir die Aufgabe zugefallen, dem Drachenrat im Spiegeldrachenjahr vorzusitzen. Eine undankbare Aufgabe, weil sie nicht mit der sonst üblichen Verdoppelung der Macht einhergeht.«
    »Hört, hört«, sagten einige Lords.
    »Ruhe!«, befahl Lord Ido, und der Drachenrat gehorchte sogleich. »Ja, nun haben wir wieder unsere alte Stärke erreicht. Und obwohl Lord Eon auf seine Aufgabe noch nicht vorbereitet und das Wissen über den Spiegeldrachen weitgehend verloren ist, leidet es doch keinen Zweifel, dass die Macht der Zwölf – wenn wir nur mutig sind – für unser Land große Dinge erreichen wird.«
    »Unsere erste Pflicht sollte es sein, den östlichen Ebenen wieder zu Wohlstand zu verhelfen«, sagte Lord Silvo rasch.
    Lord Ido durchbohrte den kleinen Mann mit seinem Blick. »Unsere erste Pflicht, Lord Silvo, gilt nicht denen, die im Osten wohnen. Wir besitzen nun umfassende Macht und sollten zunächst daran gehen, den Ruhm des Kaiserreichs zu mehren.«
    Gemurmel erhob sich rings um den Tisch. Einige nickten zustimmend; andere rutschten unbehaglich auf ihren Stühlen herum.
    »Angesichts dieser Möglichkeiten«, fuhr Lord Ido fort, »hat Heuris Brannon zugestimmt, diesem Rat als bevollmächtigter Lord zu dienen, damit unser junger Bruder sich auf das Erlernen der Drachenkünste konzentrieren kann.«
    Wieder war es Dram, der die anderen dazu brachte, lautstark mit der flachen Hand auf den Tisch zu klatschen. Mein Meister nahm den Beifall mit einem Nicken entgegen.
    Eine Handbewegung von Lord Ido ließ mich aufstehen.
    »Lord Eon, seid Ihr damit einverstanden, dass Heuris Brannon vom heutigen Tage an Lord Brannon ist und Euch im Drachenrat vertritt und dass seine Entscheidung und seine Stimme so lange behandelt werden, als seien es Eure Entscheidungen und Eure Stimme, bis Ihr alt und erfahren genug seid, um Euren Sitz im Kreis der Zwölf einzunehmen?«
    »Damit bin ich einverstanden«, sagte ich. »Und ich danke ihm für seine Hilfe.«
    Ich verbeugte mich vor meinem Meister. Unter dem Tisch ballte er die Faust so fest um seinen seidenen Fächer, dass sich die zerbrechlichen Lackstäbe bogen. Er hatte jahrelang auf diese Rückkehr zu Wohlstand und Macht gewartet. Als ich mich wieder neben ihn setzte, meinte ich fast zu spüren, wie das Triumphgefühl ihm durch alle Adern schoss.
    Er erhob sich, ohne abzuwarten, bis Lord Ido ihn dazu aufforderte. Obwohl er neben der jugendlichen Kraft des Rattendrachenauges wie ein gebrechlicher alter Mann wirkte, zog etwas in seiner Haltung die Blicke auf sich. Lord Ido spürte, wie die anderen sich von ihm abwandten, und runzelte die Stirn.
    »Heuris Brannon«, sagte er knapp. »Seid Ihr damit einverstanden, Lord Eon im Drachenrat zu vertreten? Wollt Ihr als bevollmächtigter Lord dienen, bis er alt und erfahren genug ist, um seinen Sitz im Kreis der Zwölf einzunehmen?«
    »Ja, ich bin damit einverstanden, Lord Eon im Drachenrat zu vertreten«, sagte mein Meister.
    Dram klatschte wiederum auf den Tisch, um auch diese Erklärung zu feiern, doch die erhobene Hand meines Meisters mahnte ihn und die anderen zur Ruhe. Langsam wandte mein Meister sich Lord Ido zu, wobei er den Fächer wie einen Schlagstock hielt. »Und als Stellvertreter des Zweiten Herrschenden Drachenauges übernehme ich auch Lord Eons Pflicht, dem Drachenrat gemeinsam mit Euch vorzusitzen, Lord Ido.«
    Die Versammelten erstarrten. Die beiden Männer maßen sich über meinen Kopf hinweg wie Hunde. Dann lachte Lord Ido und

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