Drachentochter
nah am Kaiser.«
»Richtig. Aber mein Warten hat sich gelohnt. Ich bin dem Kaiser inzwischen näher denn je.«
»Wie das?«
»Durch Euch, Mylord«, erwiderte er schlicht. »Ihr seid die Hoffnung des Widerstands.«
Die Hoffnung des Widerstands? Noch mehr Leute, die auf mich bauten. Die auf meine Kraft setzten. Es war zu viel. Zu viel. Ich würde unter all den Erwartungen zusammenbrechen.
»Nein!« Ich rappelte mich auf. Ich musste verschwinden.
»Was meint Ihr mit Nein?« Ryko vertrat mir den Weg.
»Ich kann die Hoffnungen deines Widerstands nicht erfüllen.« Ich blickte mich zu Lady Dela um. »Oder Eure Hoffnungen.«
»Mylord«, erwiderte Ryko und ergriff meinen Arm so fest, dass es wehtat, »mag sein, dass Euch diese Aufgabe nicht gefällt und Ihr sie nicht übernehmen wollt, doch sie ist Euch zugefallen. Und sofern Ihr Euch nicht mit Sethon und Ido verbünden wollt, kämpft Ihr unseren Kampf. Die bloße Tatsache, dass Ihr den Spiegeldrachen erweckt habt, hat Euch zu einer Bedrohung für den Großlord werden lassen. Und Eure Kaisertreue habt Ihr bereits bewiesen.«
Ich wand den Arm aus seinem Griff. Das war nicht mein Kampf. Ich musste verschwinden. Mich irgendwo verstecken. Aber wo? Und was würde aus meinem Meister und aus Rilla werden? Und aus Prinz Kygo? Ihr Leben war so eng an das meine gebunden wie mein Schicksal an das des Kaisers.
»Ich will das nicht«, sagte ich, doch diese Antwort klang selbst in meinen Ohren wenig überzeugend. Alles, was Ryko gesagt hatte, stimmte. Und es war unausweichlich.
»Diese Antwort ist Eurer nicht würdig. Ihr habt mehr Mut, als Ihr denkt«, erwiderte Ryko unbeirrt.
Ich fühlte mich gar nicht mutig, doch ich hob das Kinn und nickte. Was hätte ich sonst tun sollen? Selbst ein Kaninchen kämpft mit Zähnen und Klauen, wenn es in die Enge getrieben ist.
»Ihr seid ein anständiger Mann.« Er klopfte mir so kräftig auf die Schulter, dass ich ins Schwanken geriet.
»Wenn du mit dem Anwerben fertig bist«, bemerkte Lady Dela trocken, »kann Lord Eon uns vielleicht erklären, wie er die Schrift zurückstehlen will.«
Ich hatte Lady Dela und Ryko nicht die ganze Wahrheit über das rote Portfolio gesagt. Sie wussten, dass es sich um den letzten erhaltenen Text des Spiegeldrachenauges handelte. Und ihnen war klar, dass er nicht in Lord Idos Händen bleiben durfte. Doch sie wussten nicht, dass diese Aufzeichnungen meine einzige Hoffnung waren, den Namen meines Drachen herauszufinden. Ich durfte ihnen nicht gestehen, dass ich noch gar keine Macht besaß. Das hätte mich ihre Unterstützung kosten können. Zwar war es zu gefährlich, der Hoffnungsträger des Widerstands zu sein, doch es war genauso gefährlich, es nicht zu sein.
»Der Plan ist einfach«, sagte ich rasch. »Dillon wird uns um Mitternacht am Seiteneingang der Halle des Rattendrachen erwarten, uns einlassen und zur Bibliothek führen. Ryko knackt das Schloss, wir nehmen das Portfolio und verschwinden eilends.«
Stille.
»Euer Plan geht nicht gerade ins Detail«, gab Ryko vorsichtig zu bedenken. Er sah Lady Dela kurz an, doch sie wich seinem Blick aus und stand noch immer steif und unversöhnlich da. »Wissen wir, wie viele Wächter Dienst haben werden? Wissen wir, wo genau sie postiert sind?«
»Nein«, gab ich zu, »aber das kann Dillon uns sicher sagen.«
Ryko verschränkte die Arme. »Es wäre wohl klüger, wenn ich das allein erledigte, Mylord. Ich habe viel Erfahrung. Und nichts für ungut, aber es würde viel schneller gehen.«
Lady Dela nickte mir über den niedrigen Teetisch hinweg zu. »Das stimmt. Ihr solltet Euch nicht in Gefahr bringen, Mylord. Ihr seid zu wichtig.«
»Aber Dillon ist jetzt schon nervös. Er wird dich nicht einlassen, wenn du allein kommst«, erwiderte ich, um Rykos Einwand zuvorzukommen. » Und er sagt, auf der Bibliothek liegt eine Art Bann, der die Leute davon abhält, sie zu betreten.«
»Drachenkraft?«, fragte Lady Dela.
Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber sollte dem so sein, kann ich diese Kraft besser ablenken als Ryko.«
In diesen Satz hatte ich alles Selbstvertrauen gelegt, das ich aufbringen konnte. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie ich Drachenenergie ablenken sollte, aber ich würde nicht ruhig in meinen Gemächern warten, während Ryko womöglich misslang, die einzige Sache zurückzuholen, die mein Leben retten konnte.
»Lord Eon hat recht«, sagte Lady Dela und sah Ryko endlich an. »Allein kannst du Drachenmagie nicht überwinden.«
Ryko
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