Drachentochter
nach rechts und links ausgeklappte Wandschirm einen eleganten Hintergrund bildete. Er war mit Pfirsichblüten bemalt, die sich auch auf den Opferschalen und Räuchergefäßen befanden. Mir war klar, dass ich mich davor hinknien und um Schutz, vielleicht auch um die mir so nötige Gelassenheit flehen hätte sollen, doch stattdessen zog es mich zur Schwerthalterung an der Wand gegenüber.
Die schimmernde Jade und die polierten Mondsteine der Griffe glänzten im Lampenlicht wie Tieraugen. Die Schwerter gehörten nun mir, bis meine Amtszeit als Spiegeldrachenauge vorüber war. Zwei Schwerter, in deren Klingen der Zorn gefahren war – ein Zorn, der während der Zeremonie, als ich die Stimmen der Waffen vernommen hatte, in mich übergegangen war. Ich streckte die Hand nach dem Griff des oberen Schwertes aus und legte die Fingerspitzen behutsam auf das kalte Metall.
Erneut durchfuhr mich der Zorn wie ein Schrei.
Ich riss die Hand zurück.
Ein anderes Geräusch war zu hören. Ein leises Pochen von draußen.
Mit wenigen Schritten war ich am Fensterladen. Ryko stand im Garten und mahnte mich mit erhobener Hand, keinen Lärm zu machen. Als sein Ärmel herunterrutschte, sah ich einen Messergriff aufblitzen; er trug eine Armscheide. Gewiss trug er auch am anderen Handgelenk ein Messer, um sie beidhändig ziehen zu können. Er hatte die Waffen eines Diebs gewählt – nicht die eines Wächters der kaiserlichen Garde.
Er spähte in die Finsternis und sein flaches Profil hob sich vom fahlen Grau des Kiesgartens ab. Anscheinend war er zufrieden, denn er wandte sich lächelnd zu mir um. Seine plötzlich aufblitzenden Zähne bildeten einen überraschenden Kontrast zu seiner dunklen Haut.
»Seid Ihr bereit?«, hauchte er. Er hatte mir erklärt, Flüstern sei besser zu verstehen als leises Sprechen.
Ich blickte zu meinen Schwertern zurück. Sie ruhten still in ihrer Halterung. Dann stemmte ich mich aufs Fensterbrett und ließ mich langsam nach draußen gleiten, um auf den Kieseln möglichst wenig Lärm zu machen.
»Leise jetzt«, raunte Ryko. »Diese Steine ersetzen einen Wachhund.«
Ich folgte ihm vorsichtig zum Dienerpfad, der hinter dem Haus entlangführte, und hielt den Atem an, weil die Kiesel unter unserem Gewicht knirschten. Erleichtert seufzten wir auf, als wir endlich den Erdweg erreichten.
»Wir verlassen den Palastbezirk durch das Tor des Guten Dienstes«, sagte Ryko, als wir den Pfad entlanghetzten. Ich kümmerte mich nicht um den Schmerz, der sich aufgrund des Tempos und des unebenen Bodens schon jetzt in meiner Hüfte bemerkbar machte. »Zwei Freunde von mir schieben dort heute Nacht Wache. Wenn wir ihnen gut zureden, werden sie uns sicher durchlassen.«
Das Tor des Guten Dienstes wurde vor allem tagsüber für die Anlieferung der vielen Lebensmittel benutzt, die in der kaiserlichen Küche für die Familie des Regenten und die zahlreichen Bediensteten zubereitet wurden. Nachts dagegen, so berichtete mir Ryko, sei es dort ruhig und deshalb sei das Tor bei vielen Wächtern sehr beliebt.
Als wir uns dem Tor näherten, vertraten uns zwei gut gebaute Gestalten den Weg; der Eifer, mit dem sie nach unseren Namen fragten, ließ auf eine gewisse Langeweile schließen.
Ryko gab sich zu erkennen und verbeugte sich dann vor mir. »Und das ist Lord Eon.«
Der kleinere Wächter, dem die Krempe eines steifen Lederhelms die Augen beschattete, beugte sich vor. Er musterte mich, trat dann – offenbar zufrieden mit dem, was er gesehen hatte – einen Schritt zurück und verneigte sich. Der andere Wächter tat es ihm eilends nach.
»Ich führe Lord Eon zur Allee der Blüten«, sagte Ryko, und ich hörte Münzen in seiner Hand klimpern.
Die Wächter tauschten einen raschen Blick. Die Allee der Blüten lag im Vergnügungsviertel.
»Es soll sich nicht herumsprechen, dass er durch dieses Tor gegangen ist«, fügte Ryko hinzu, öffnete die Hand und ließ ein paar Silberstücke blitzen.
Der größere Wächter fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Du kannst dich auf unsere Verschwiegenheit verlassen, Ryko. Das weißt du ja«, sagte er.
Ryko blickte die beiden durchdringend an. »Ihr wisst, was geschieht, falls ich in den Wächterstuben von diesem Ausflug hören sollte.«
Die beiden waren imposante Erscheinungen, doch Ryko war noch größer und stämmiger als sie. Die Wächter nickten und Ryko warf ihnen die Münzen zu und führte mich durchs Tor.
»Glauben sie wirklich, dass du mich ins Vergnügungsviertel bringst?«,
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