Drachentränen
getan hast.«
»Heißt ja nicht, dass wir jetzt ein Paar sind oder so.«
Sie lächelte. »Gut. Übrigens, wohin fahren wir überhaupt?«
Er widerstand der Versuchung, eine gut gewürzte Ente in Peking vorzuschlagen. »Zu Ordegards Wohnung. Du hast nicht zufällig die Adresse, nehme ich an.«
»Ich hab sie nicht nur - ich war dort.«
Er war überrascht. »Wann?«
»Nachdem wir das Restaurant verlassen haben und bevor ich zurück ins Büro gegangen bin, während du die Berichte getippt hast. Nichts Besonderes an der Bude, unheimlich, aber ich glaube nicht, dass wir dort etwas finden, was uns weiterhilft.«
»Als du das erste Mal da warst, wusstest du nichts von Ticktack. Jetzt würdest du dir alles aus einem anderen Blickwinkel ansehen.«
»Mag sein. Zwei Blocks weiter und dann nach rechts.«
Er bog ab, und sie fuhren hoch in die Hügel, enge, gewundene Straßen entlang, die von Palmen und wuchernden Eukalyptusbäumen überdacht waren. Eine weiße Eule mit einer Flügelspanne von fast einem Meter stürzte sich vom Schornstein eines Hauses auf das Giebeldach eines anderen, segelte durch die Nacht wie eine verlorene Seele auf der Suche nach dem Himmel, und der sternenlose Himmel schien so tief zu hängen, dass Harry zu hören glaubte, wie er sich sanft gegen die Gipfel der Hügelketten im Osten rieb.
Kapitel 10
Bryan öffnete eine der beiden Verandatüren und trat auf den Balkon seines Schlafzimmers.
Die Türen waren wie überall im Haus nicht abgeschlossen. Obwohl es ratsam war, kein Aufsehen zu erregen, bis er Geworden war, hatte er vor niemandem Angst, hatte nie Angst gehabt. Andere Jungen waren Feiglinge, er nicht. Seine Fähigkeiten machten ihn in einer Weise selbstbewusst, wie das vielleicht noch niemand in der Geschichte dieser Welt gewesen war. Er wusste, dass niemand ihn daran hindern konnte, seine Bestimmung zu erfüllen; seine Reise zum höchsten Thron war vorherbestimmt, und er brauchte nichts weiter als Geduld, um sein Werden zu vollenden.
Die Stunde vor Mitternacht war kühl und feucht. Der Boden des Balkons war mit Tautropfen übersät. Ein frischer Wind wehte vom Meer herein. Sein roter Seidenmantel war um die Taille eng gegürtet, doch der Saum wogte um seine Beine wie ein sich ausbreitender See von Blut.
Die Lichter von Santa Catalina, sechsundzwanzig Meilen westlich, waren hinter einer dichten Nebelbank verborgen, die mehr als zwanzig Meilen von der Küste entfernt lag und selbst unsichtbar war. Nach dem Regen hing die Wolkendecke noch tief und ließ kein Mond- oder Sternenlicht durch. Er konnte die hell erleuchteten Fenster seiner Nachbarn nicht sehen, weil sein Haus am weitesten an der Spitze stand und der Felsen hinter dem Haus an drei Seiten steil abfiel.
Er fühlte sich von der Dunkelheit genauso tröstlich eingehüllt wie von seinem feinen Seidenmantel. Das Grollen und Klatschen und endlose Rauschen der Brandung war beruhigend.
Wie ein Zauberer vor einem einsamen Altar auf einer Felsspitze schloss Bryan die Augen und ließ seine Macht in sich strömen.
Er spürte nicht länger die kalte Nachtluft um sich und den kühlen Tau auf dem Balkonboden. Er konnte auch nicht mehr spüren, wie ihm sein Morgenrock um die Beine wogte, oder hören, wie die Wellen sich unten am Strand brachen.
Als erstes ging er auf die Suche nach den fünf kranken Stück Vieh, die auf das Schlachtbeil warteten. Er hatte jedes von ihnen mit einer Schleife parapsychologischer Energie gekennzeichnet, um sie leicht erkennen zu können. Mit geschlossenen Augen hatte er das Gefühl, als ob er hoch über der Erde schwebte, und im Hinunterschauen sah er fünf besondere Lichter, deren Ausstrahlung ganz anders war als bei allen anderen Energiequellen entlang der Südküste. Die Ziele seines blutigen Sports.
Mit Hilfe der Clairvoyance - oder des »Weitsehens« - konnte er diese Tiere beobachten, eins nach dem anderen, sowie ihre unmittelbare Umgebung. Er konnte sie nicht hören, was gelegentlich frustrierend war. Er nahm jedoch an, dass seine Clairvoyance alle fünf Sinne umfassen würde, wenn er endlich der neue Gott Geworden war.
Bryan sah nach Sammy Shamroe, dessen Qualen aufgeschoben worden waren aufgrund der unvorhergesehenen Notwendigkeit, sich mit diesem klugscheißerischen Helden von einem Cop zu befassen. Der vom Suff durchtränkte Verlierer kauerte nicht in seiner Kiste unter den herunterhängenden Oleanderzweigen in der Gasse und zog sich auch nicht die zweite Zweiliterflasche Wein rein, wie Bryan
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