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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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tatsächlich ein Kind? Suchen wir etwa nach einem Jungen in der Grundschule? Oder nach einem Mädchen?«
    »Nein. Er ist älter. Immer noch jung. Aber älter.«
    »Wie kannst du das wissen.«
    »Weil ich ihm begegnet bin.«
    Jeden rumschubsen, wie es dir passt…
    Er erzählte Connie von dem jungen Mann, der unter dem Absperrband hindurchgeschlüpft und über den Bürgersteig zu dem zertrümmerten Fenster des Restaurants gegangen war, in dem Ordegard zwischen den Gästen herumgeballert hatte. Turnschuhe, Jeans, ein T-Shirt mit Reklame für Tecate-Bier.
    »Er starrte nach drinnen, fasziniert von dem Blut, den Leichen. Er hatte etwas Unheimliches an sich… hatte so einen abwesenden Blick… und leckte sich die Lippen… als ob, ich weiß nicht, als ob etwas Erotisches an all diesem Blut, an diesen Leichen wäre. Er ignorierte mich, als ich ihm sagte, er solle wieder hinter die Absperrung gehen, hörte mich vermutlich noch nicht einmal… als ob er in einem Trancezustand wäre… leckte sich die Lippen.«
    Harry hob seinen Cognacschwenker und trank den Rest in einem Schluck aus.
    »Hast du dir seinen Namen geben lassen?« fragte Connie.
    »Nein. Ich bin ausgerastet. Ich hab’ es vermasselt.«
    In Gedanken sah er, wie er sich den Jungen schnappte, ihn über den Bürgersteig zerrte, ihn möglicherweise schlug oder auch nicht - hatte er ihm ein Knie zwischen die Beine gerammt? - ihn schüttelte und herumriss, ihn runter zog und unter dem Absperrband hindurch zwang.
    »Ich fühlte mich hinterher abscheulich deswegen«, sagte er, »mein eigenes Verhalten widerte mich an. Ich konnte nicht glauben, dass ich so hart mit ihm umgesprungen war. Wahrscheinlich war ich immer noch nervös wegen dem, was auf dem Dachboden passiert war, wo Ordegard mich fast umgenietet hätte, und als ich sah, wie dieser Junge sich an dem Blut aufgeilte, da hab ich reagiert wie… wie…«
    »Wie ich«, sagte Connie und nahm ihren Hamburger wieder in die Hand.
    »Ja. Wie du.«
    Obwohl ihm der Appetit vergangen war, biss Harry in sein Sandwich, weil er Energie brauchte für das, was eventuell noch auf sie zukam.
    »Aber ich verstehe immer noch nicht, wie du so verdammt sicher sein kannst, dass dieser Junge Ticktack ist«, sagte Connie.
    »Ich weiß, dass er es ist.«
    »Bloß weil er ein bisschen seltsam war…«
    »Es ist mehr als das.«
    »Eine Ahnung?«
    »Viel mehr als eine Ahnung. Nenn es Polizisteninstinkt.«
    Sie starrte ihn einen Augenblick an, dann nickte sie. »In Ordnung. Du erinnerst dich, wie er aussah?«
    »Als ob er vor mir stände. Vielleicht erst neunzehn, nicht älter als einundzwanzig oder so.«
    »Größe?«
    »Drei Zentimeter kleiner als ich.«
    »Gewicht?«
    »Keine 70 Kilo. Dünn. Nein, das stimmt nicht, nicht dünn, nicht dürr. Schlank, aber muskulös.«
    »Gesichtsfarbe?«
    »Hell. Er war viel drinnen. Dichte Haare, dunkelbraun bis schwarz. Gutaussehender Junge, ein bisschen wie dieser Schauspieler, Tom Cruise, aber habichtartiger. Er hatte ungewöhnliche Augen. Grau. Wie leicht angelaufenes Silber.«
    Connie sagte: »Ich glaube, wir sollten zu Nancy Quan gehen. Sie wohnt gleich hier in Laguna Beach -«
    Nancy war eine Zeichnerin, die für das Special Projects arbeitete und die Fähigkeit besaß, bei einem Zeugen die Nuancen in der Beschreibung eines Verdächtigen herauszuhören und richtig zu interpretieren. Ihre Bleistiftskizzen erwiesen sich häufig als erstaunlich gute Portraits der Gesuchten, wenn man sie endlich gefasst und verhaftet hatte.
    »Du beschreibst ihr diesen Jungen, sie zeichnet ihn, und dann fahren wir mit der Zeichnung zur Polizei nach Laguna und stellen fest, ob sie den kleinen Mistkerl kennen.«
    Harry sagte: »Und wenn nicht?«
    »Dann gehen wir von Tür zu Tür und zeigen den Leuten die Zeichnung.«
    »Von Tür zu Tür? Wo?«
    »Häuser und Wohnungen im Umkreis eines Blocks von der Stelle, wo du ihn getroffen hast. Es ist möglich, dass er in unmittelbarer Nähe wohnt. Und selbst wenn er nicht dort wohnt, vielleicht treibt er sich dort rum, hat Freunde in der Gegend -«
    »Dieser Junge hat keine Freunde.«
    »- oder Verwandte. Irgendwer erkennt ihn vielleicht.«
    »Die Leute werden nicht allzu froh sein, wenn wir mitten in der Nacht an ihre Tür klopfen.«
    Connie verzog das Gesicht. »Willst du bis zum Morgengrauen warten?«
    »Wohl kaum.«
    Die Band kam zurück und begann mit ihrer letzten Sequenz.
    Connie kippte glucksend den Rest ihres Kaffees runter, schob ihren Stuhl zurück, stand auf, nahm ein

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