Drachentränen
paar zusammengefaltete Geldscheine aus ihrer Jackentasche und warf einige davon auf den Tisch.
»Lass mich die Hälfte bezahlen«, sagte Harry.
»Du bist eingeladen.«
»Nein, wirklich, ich sollte die Hälfte bezahlen.«
Sie warf ihm einen Blick zu, als sei er meschugge.
»Ich bin immer gern mit allen Leuten quitt. Das weißt du doch«, erklärte er.
»Dann tu mal was ganz Verrücktes, Harry. Lass dir einen ausgeben. Weißt du was - wenn es hell wird und wir wachen in der Hölle auf, dann darfst du das Frühstück bezahlen.«
Sie ging auf die Tür zu.
Als er sie kommen sah, brachte sich der Geschäftsführer mit dem Armani-Anzug und der handgemalten Seidenkrawatte eiligst in der Küche in Sicherheit.
Harry schloss sich Connie an und sah auf seine Uhr. Es war 22 Minuten nach eins.
Noch etwa fünf Stunden bis zum Morgengrauen.
Kapitel 20
Er trottet durch die nächtliche Stadt. Die Menschen in ihren dunklen Orten um ihn herum schlafen alle.
Er gähnt und denkt selbst daran, sich unter ein paar Sträuchern schlafen zu legen. Wenn er schläft, ist da eine andere Welt, eine schöne Welt, in der er eine Familie hat, die in einem warmen Ort lebt und bei der er willkommen ist, die ihn jeden Tag füttert, die mit ihm spielt, so oft er will, ihn Prince nennt, ihn in einem Auto mitnimmt und ihm erlaubt, den Kopf aus dem Fenster zu stecken und mit flatternden Ohren in den Wind zu halten - das fühlt sich gut an, Gerüche fliegen nur so auf ihn zu, ja ja ja - und die ihn niemals tritt. Es ist eine gute Welt im Schlaf, selbst wenn er dort die Katzen auch nicht kriegt.
Dann fällt ihm das Junger-Mann-böses-Ding ein, der schwarze Ort, die Menschen- und Tieraugen ohne Körper, und er ist nicht mehr müde.
Er muss etwas gegen das böse Ding tun, aber er weiß nicht was. Er spürt, dass es der Frau weh tun wird, dem Jungen, ihnen ganz schlimm weh tun wird. Es hat sehr viel Wut in sich. Hass. Es würde ihnen das Fell in Brand stecken, wenn sie ein Fell hätten. Er weiß nicht warum. Oder wann, wie und wo. Aber er muss etwas tun, sie retten, ein guter Hund sein, gut.
Also…
Tu was.
Okay.
Also…
Bis ihm einfällt, was er gegen das böse Ding tun kann, kann er sich genauso gut noch was zu fressen suchen. Vielleicht hat der lächelnde dicke Mann noch mehr gute Reste hinter dem Menschenfutterort für ihn hingestellt. Vielleicht steht der dicke Mann noch in der offenen Tür, blickt die Gasse auf und ab in der Hoffnung, dass er Kerlchen wieder sieht, denkt, er würde Kerlchen gern mit nach Hause nehmen, ihm einen warmen Ort geben, es jeden Tag füttern, mit ihm spielen, so oft es will, und mit Kerlchen im Auto spazieren fahren, wo es den Kopf in den Wind halten kann.
Jetzt beeilt er sich. Versucht, den dicken Mann zu riechen. Ist er dort draußen? Wartet?
Immer weiter schnuppernd, kommt er an einem nach Rost riechenden, nach Schmiere riechenden, nach öl riechenden Auto vorbei, das auf einem großen, leeren Platz parkt, und dann riecht er die Frau, den Jungen, sogar durch die geschlossenen Fenster. Er bleibt stehen und guckt hoch. Der Junge schläft, er ist nicht zu sehen. Die Frau lehnt sich gegen die Tür mit dem Kopf gegen die Scheibe. Wach, aber sie sieht ihn nicht.
Vielleicht gefällt die Frau dem dicken Mann, und der Junge, und er hat für sie alle Platz in seinem schönen, warmen Menschenort, und sie können spielen, alle zusammen, essen, wann sie wollen, mit dem Auto spazieren fahren, ihre Köpfe aus dem Fenster stecken, und Gerüche fliegen nur so auf sie zu. Ja ja ja ja ja ja. Warum nicht? In der Schlafwelt gibt es eine Familie. Warum nicht auch in dieser Welt?
Er ist aufgeregt. Das ist gut. Das ist wirklich gut. Er spürt das wunderbare Ding hinter der nächsten Ecke, endlich kommt das wunderbare Ding, von dem er immer wusste, dass es irgendwo dort war. Gut. Ja. Gut. Ja ja ja ja ja.
Der Menschenfutterort, wo der dicke Mann wartet, ist nicht weit weg von dem Auto, deshalb sollte er vielleicht bellen, damit die Frau ihn sieht, dann sie und den Jungen zu dem dicken Mann führen.
Ja ja ja ja ja ja.
Aber halt, halt, es könnte zu lange dauern, zu lange, bis er sie dazu kriegt, ihm zu folgen. Menschen sind manchmal so schwer von Begriff. Der dicke Mann könnte weggehen. Dann kommen sie dorthin, der dicke Mann ist weg, sie stehen in der Gasse und wissen nicht warum, denken, er ist nur ein dummer Hund, dummer, alberner Hund, so gedemütigt, wie wenn die Katze oben im Baum sitzt und zu ihm
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