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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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fluchte, rasend vor Schmerz, drückte immer weiter ihre Zähne auseinander, aber es hatte keinen Sinn.
    Sein Brüllen versetzte die Schlangen auf dem Boden in unruhige Bewegungen.
    Er stürzte auf den Türbogen zwischen Küche und Flur zu, trat Schlangen aus dem Weg, bevor sie sich ringeln und ihn anspringen konnten. Einige waren bereits zusammengeringelt und fielen ihn an, doch seine grobe, locker sitzende Khakihose vereitelte ihre Bemühungen.
    Er hatte Angst, dass sie über seine Schuhe in ein Hosenbein glitten und ihm dann unter dem Khakistoff das Bein hoch kriechen würden. Doch er gelangte wohlbehalten in den Flur.
    Die Schlangen verfolgten ihn nicht. Zwei Taranteln waren aus dem Schrank mit dem Knabbergebäck in den kriechenden Alptraum auf dem Boden gefallen, und die Schlangen stritten sich jetzt darum. Verzweifelt strampelnde Spinnenbeine verschwanden unter wogenden Schuppen.
    Bum!
    Ricky fuhr überrascht zusammen.
    Bunt!
    Bisher hatte er das seltsame Geräusch, das ihn schon am frühen Abend gequält hatte, nicht mit den Spinnen und Schlangen in Verbindung gebracht.
    Bum!
    Bum!
    Da hatte jemand ein Spielchen mit ihm gespielt, doch das hier war kein Spiel mehr. Das war tödlicher Ernst. Unmöglich, unwahrscheinlich wie ein Traum, aber ernst.
    Bum!
    Ricky konnte die Herkunft des Klopfens nicht genau ausmachen, noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es von oben oder von unten kam. Fenster vibrierten, und hohl hallte das Echo jeden Schlags in den Wänden wider. Er spürte, dass etwas auf ihn zukam, schlimmer als Spinnen oder Schlangen, etwas, dem er nicht begegnen wollte.
    Um Atem ringend wandte sich Ricky, an dessen linker Hand immer noch der Kopf der Kletternatter baumelte, von der Küche zur Haustür am Ende des Flurs.
    Der Arm mit den zwei Bisswunden dröhnte bei jedem Schlag seines heftig hämmernden Herzens entsetzlich. Das war nicht gut, lieber Gott, ein rasendes Herz verteilte das Gift schneller, falls Gift da war. Er musste sich beruhigen, langsam und tief durchatmen, gehen und nicht laufen, einen Nachbarn aufsuchen, 911 wählen und einen Notarzt rufen.
    BUM!
    Er hätte das Telefon im Schlafzimmer benutzen können, aber er wollte da nicht reingehen. Er traute seinem eigenen Haus nicht mehr, was bescheuert war, geradezu verrückt, doch er hatte das Gefühl, als ob das ganze Haus lebendig geworden wäre und sich gegen ihn gewandt hätte.
    BUM, BUM, BUM!
    Das Haus wackelte, als ob genau unter ihm ein Erdbeben tobte, und warf ihn fast um. Er taumelte zur Seite und prallte gegen die Wand.
    Die Keramikstatue der Heiligen Jungfrau kippte von dem Tischchen im Flur, das er als Altar gestaltet hatte, ähnlich wie die Altäre, die seine Mutter in ihrem Haus gehabt hatte. Seit man ihn in den Unterleib geschossen hatte, hatte seine Angst ihn auf die Art von Schutz zurückgreifen lassen, die seine Mutter gegen die Grausamkeiten der Welt gewählt hatte. Die Statue krachte auf den Boden und zerbrach vor seinen Füßen.
    Die schwere Lampe mit den roten Scheiben, in der eine Motivkerze brannte, hüpfte auf dem Tisch und ließ geisterhafte Schatten auf Wänden und Decke tanzen.
    BUMBUMBUMBUM!
    Ricky war noch zwei Schritte von der Haustür entfernt, als der Eichenholzboden bedrohlich knarrte, sich hob und mit einem Geräusch, fast so laut wie ein Donnerschlag, zerbarst. Er stolperte zurück.
    Irgendwas donnerte aus dem flachen Hohlraum unter dem Bungalow gegen den Fußboden und zertrümmerte ihn, als ob er eine Eierschale wäre. Einen Moment lang war es in dem Tohuwabohu aus Staub, Splittern und ausgefransten Dielenbrettern unmöglich, einen Blick auf das zu werfen, was da in den Flur hereinkatapultiert worden war.
    Dann sah Ricky den Mann in dem Loch, der sich knapp einen halben Meter unter dem Fußboden des Hauses aufgepflanzt hatte. Obwohl er tiefer als Ricky stand, überragte der Kerl ihn, wirkte riesig und bedrohlich. Sein ungepflegtes Haar und der Bart waren verfilzt und schmutzig, und die sichtbaren Teile seines Gesichts waren mit scheußlichen Narben übersät. Sein schwarzer Regenmantel blähte sich um ihn, als ein Luftzug aus dem Hohlraum durch die kaputten Dielen pfiff.
    Ricky wusste, er hatte den Landstreicher vor sich, der Harry aus einem Wirbelwind heraus erschienen war. Alles an ihm entsprach der Beschreibung - bis auf die Augen.
    Als er einen Blick auf diese grotesken Augen warf, erstarrte Ricky mitten in den Scherben der Heiligen Jungfrau, gelähmt von Angst und der Gewissheit, dass er verrückt

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