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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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trübsinnig und widerborstig war, weil er getrunken hatte und zornig über die Demütigung seines Landes war, dann war das nicht das Schlechteste, was es über einen Mann zu sagen gab.
    Und Edith sah richtig gut aus. Nicht fröhlich, aber niemand konnte fröhlich sein, wenn die Armee vor der Tür stand und sich in der Eingangshalle ein Streit entspann; aber sie war zufrieden mit dem Los, das sie gewählt hatte, das war offensichtlich. Sie bereute nichts.
    Laurence wünschte sich aus ganzem Herzen, dass sie glücklich war. In diesem Gefühl lag keinerlei Eifersucht. Trotzdem war es kein angenehmer Gedanke, dass Woolvey ihr dieses Glück verschafft hatte, im Gegensatz zu ihm selbst, wie sich Laurence schmerzhaft bewusst war. Er hatte Edith hingehalten, als sie bessere Angebote hätte bekommen können. An ihr letztes Gespräch konnte er nur mit Schaudern zurückdenken: all die selbstsüchtige Gereiztheit auf seiner Seite und die Frechheit, ihr sogar einen Antrag zu machen, der nur unwillkommen sein konnte, nachdem er sich dem Korps verschrieben hatte. Er sah Woolvey an, der aus dem Kutschenfenster starrte. Was sollte Edith bereuen? Nichts. Sie konnte sich nur selbst dazu beglückwünschen, dass sie noch mal entkommen war.
    Die Kutsche hielt an. Holland House lag dunkel vor ihnen, die Pferde stampften nervös mit den Hufen, und ihr warmer Atem dampfte in der Luft, als ein Dienstbote kam und sich den Schlaf aus den Augen wischte, während er die Pferde am Zügel hielt.
    »Ja, ich weiß, die Familie ist fort«, sagte Woolvey und kletterte heraus, als ein weiterer Lakai ihm den Schlag öffnete. »Seien Sie so gut und bringen Sie meine Pferde in den Stall. Und schicken Sie Gavins heraus, ich will mit ihm sprechen.«
    Er schützte fadenscheinige Entschuldigungen für seine Anwesenheit in der Stadt und seinen Besuch vor: Das Baby sei krank und schreie unablässig, seine Frau sei ungeduldig. »Und da dachte ich bei mir, was ich brauche, ist ein Spaziergang an der frischen Luft, damit ich mir die Sterne ansehen kann – in Mayfair gibt es viel zu viele Lichter –, und ohne Zweifel hätte Lord Holland nichts dagegen einzuwenden…«
    Es war ein seltsames Ansinnen, denn immerhin war es Mitternacht, eine Armee belagerte die Stadt, und er hatte zwei Männer in grober Kleidung bei sich, aber Gavins verbeugte sich nur: Er war vertraut mit den seltsamen Einfällen von Gentlemen, die dem Alkohol zugesprochen hatten, und zu gut ausgebildet, um seine Überraschung zu zeigen. »Ich muss Ihnen raten, nicht zu nah an das Ostende des Parks zu gehen, wenn Sie beabsichtigen sollten, die Gärten zu verlassen«, sagte er. »Ich fürchte, dort nächtigen mehrere Drachen.«
    »Oh«, sagte Woolvey, und als man sie in den Park gelassen hatte, fügte er im Flüsterton hinzu: »Was wollen wir wegen der Tiere unternehmen?«
    »An ihnen vorbeigehen«, erwiderte Tharkay und blies die Laterne aus, die ihnen überlassen worden war.
    »Es ist nicht nötig, dass Sie uns noch weiter begleiten«, sagte Laurence. »Sie haben uns bereits einen großen Dienst erwiesen, Woolvey…«
    »Ich fürchte mich nicht«, betonte Woolvey erbost und schritt voran.
    Tharkay schüttelte den Kopf, und als Laurence ihm einen Blick zuwarf, sagte er leise: »Es ist schwer, gegen einen allgemein bekannten Offizier zu bestehen, wenn man sich der Liebe einer Frau sicher sein will, die Mut bewundert.«
    Auch Laurence dämmerte es, dass Woolvey vor Edith gut dastehen wollte und dass er sich in Konkurrenz zu ihm sah. »Mein Ruf ist ganz gewiss nicht so, dass irgendein Mann mit Verstand mich darum beneiden würde.«
    »Auf jeden Fall nennt man Sie keinen Feigling«, sagte Tharkay. »Und was hat Bertram Woolvey vorzuweisen?«
     
    Das Gelände direkt neben dem Haus war bewaldet, der Duft von Zedernbäumen umfing sie, und sie schritten durch das Schweigen der kahlen Eichen und Platanen, die alle mit Eis überzogen waren. Der Wald ging in weite Wiesen über, ebenfalls überfroren, und ihre Stiefelabsätze knirschten auf dem Gras, als hätten sie Sand unter den Sohlen. Wären sie tatsächlich unterwegs gewesen, um die Sterne zu beobachten, dann wären sie auf ihre Kosten gekommen: Die Nacht war klar und still, der Wind hatte sich gelegt, und der Mond war nicht zu sehen.
    Die französischen Drachen schnarchten friedlich vor sich hin, wenn man so ein Geräusch beschreiben konnte, das wie das Knirschen von Windmühlenrädern klang und etwa eine Viertelmeile weit zu hören war. Es hatte nicht

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