Drachenwacht: Roman (German Edition)
reichte sie Woolvey und Laurence eine Tasse, zögerte einen Augenblick und goss schließlich auch Tharkay etwas ein.
Tharkay lächelte etwas mühsam, als er ihre zweifelnde Geste in seine Richtung bemerkte. »Danke«, sagte er und stürzte den Kaffee rasch hinunter, dann stellte er die Tasse ab, ging zur Tür und öffnete sie erneut. Das Mädchen und ein Dienstbote drückten sich davor herum, verschwanden aber nun so schnell wie möglich. Tharkay
warf Laurence einen Blick zu, schaute dann bedeutungsvoll zur Uhr, schlüpfte auf den Flur und schloss die Tür hinter sich. Niemand würde sich mehr nähern und lauschen können.
Laurence stellte seine eigene Tasse mit ausgezeichnetem, starkem Kaffee ab und sah zu dem dunklen Quadrat des Flügelfensters. Es wurde von schweren Vorhängen aus hellblauem Samt eingefasst, die mit eleganten, goldenen Kordeln zusammengebunden waren. Er verspürte das unvernünftige Verlangen, Woolvey einfach mit einer davon zu erwürgen und ihn auf dem Boden liegend zurückzulassen, während sie flohen; aber natürlich würde er sofort zu schreien beginnen, und Laurence konnte Edith nicht in eine solche Lage bringen.
»Nun?«, begann Woolvey. »Ich lasse mich nicht so einfach abspeisen, Laurence, und wenn Sie mich noch länger warten lassen, habe ich gute Lust, Sie von meinen Dienstboten in den Keller werfen zu lassen, wo Sie bis morgen früh schmoren können.«
Laurence presste die Lippen zusammen und schluckte die ersten Erwiderungen, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter. Er wusste, dass er ungerecht war. Woolvey hatte nicht mehr Grund, ihn zu mögen, als umgekehrt, und keinerlei Veranlassung, ihm Glauben zu schenken. »Wir haben keine Zeit bis zum Morgen«, sagte er schließlich barsch. »Am heutigen Tag in der Frühe ist ein englischer Offizier gefangen genommen worden, ein Drachenkapitän …«
»Ja und? Ich hörte, gestern seien zehntausend Mann festgesetzt worden.«
Woolvey klang bitter und voll ehrlicher Gefühle, und Laurence teilte seine Empfindungen.
»Das bedeutet, dass auch sein Tier ein Gefangener ist«, erläuterte Laurence. »Der Offizier wird als Geisel gehalten, damit sich sein Drachenweibchen gut benimmt. Sein Tier ist unser Feuerspucker – unser einziger Feuerspucker.«
»Oh«, sagte Edith plötzlich. »Ich habe ihn heute Morgen gesehen, als er in den Hyde Park gebracht wurde.«
Laurence nickte. »Und es gibt eine geringe Chance, dass der Offizier augenblicklich noch im Palast festgehalten wird«, sagte er. »Verstehen Sie jetzt, warum wir es so eilig haben? Während Bonaparte…«
»Ich bin kein Dummkopf«, unterbrach ihn Woolvey. »Aber wenn Sie und dieser komische Kerl an Ihrer Seite …«
»Bei einer solchen Expedition ist ein guter Mann besser als ein Dutzend weniger fähige«, sagte Laurence. »Wir waren die Einzigen, die nahe genug waren, um den Versuch zu wagen. Nein, genug der Fragen«, fügte er scharf hinzu. »Ich werde nicht meine Zeit damit vergeuden, auf alle möglichen Bedenken zu antworten, die Ihnen einfallen. Wenn Sie uns weiterhin Steine in den Weg legen wollen, obwohl Sie nun die Situation kennen, können Sie sich zum Teufel scheren. Dann werden wir eben unser Glück mit Bonapartes Wachen auf der Straße versuchen.«
Woolvey sah noch immer unentschlossen aus. »Will«, sagte Edith leise, und beide sahen zu ihr hin. »Schwörst du auf die Bibel, dass du uns die Wahrheit sagst?«
Selbst diese Geste stellte Woolvey nicht gänzlich zufrieden, aber Edith nahm ihn am Arm und sagte: »Liebster, ich kenne Will, seit wir kleine Kinder waren. Ich kann mir vorstellen, dass er sich in eine Lage manövriert hat, für die er wegen Verrats verurteilt wurde, aber er würde niemals unter Eid lügen.«
Mürrisch entgegnete er: »Trotzdem, es klingt alles nach einer Schnapsidee, wenn du mich fragst.« Dann wandte er sich von ihr ab und goss sich selbst eine zweite Tasse Kaffee ein, doch er wirkte erstaunlich angespannt und verschüttete das Getränk über das Porzellan und auf das polierte Holz. Er machte sich nicht die Mühe, Sahne hinzuzugeben, sondern stürzte den Kaffee mit wenigen Schlucken hinunter, dann stellte er die Tasse mit einem Klirren wieder ab. »Also haben Sie vor, ihn zu retten, ja?«, fragte er unvermittelt, und in seinem Tonfall schwang etwas mit, das bedrohlicher als sein anfängliches Misstrauen war: Begeisterung.
»Wenn wir können«, sagte Laurence und zwang sich zu der Frage: »Wenn Sie uns ihre Kutschpferde zur Verfügung stellen
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